Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
gehört zusammen. Und weißt du was?» Anscheinend ahnte sie, dass ich ihre Begeisterung nur in Maßen teilen konnte, denn ihr Tonfall wurde jetzt etwas zickig. «Ich wollte es eigentlich gar nicht nehmen, aber deine Freundin, diese Frau Hartmann, hat es mir förmlich aufgeschwatzt.»
«Ach wirklich», sagte ich, inzwischen fast tonlos.
«Ganz genau.»
«Und was hat es gekostet?»
«Es war runtergesetzt. Und du darfst nicht vergessen – es besteht aus zwei Teilen.»
«Nella!»
«1379 Schweizer Franken», sagte sie, griff sich das Stützstrumpfhosen-Ding und die Schuhe und flitzte ins Bad. Die Tür knallte zu und wurde von innen abgeschlossen.
Puh! Ich musste mich erst mal setzen. So gesehen hätte ich mir für drei Tage auch ein Callgirl mieten können. Das wäre vermutlich billiger gewesen – und ich hätte höchstwahrscheinlich sogar Sex gehabt. Über 1000 Euro für ein Kleid? Muss man für solche Käufe nicht einen Erziehungsberechtigten an seiner Seite haben?
Lieber nicht weiter darüber nachdenken. Zunächst hatte ich außerdem noch ein ganz anderes Problem.
«Nella, komm da sofort wieder raus, ich muss mich fertig machen!»
Nichts rührte sich. «Nella!», rief ich und hämmerte gegen die Tür. Stille. Nach zwei weiteren wütenden Tritten gegen das Holz hörte ich sie plötzlich etwas sagen. Leider nicht zu mir. Nein, sie telefonierte! War das zu fassen?
Ich presste mein Ohr an die Tür. Immerhin musste ich sichergehen, dass es nicht dieser personifizierte Urlaubs-Tripper aus der Lobby war, mit dem sie redete. Doch nachdem sie eine Minute ununterbrochen gequasselt hatte, war ich mir sicher, dass am anderen Ende der Leitung eine Frau zuhörte. Männer haben für derartige Telefonmonologe keine Geduld. Nicht mal wenn sie sich davon eine Nacht zu dritt erhoffen.
Trotzdem bestand weiterhin die Gefahr, dass Nella und Leo sich gleich unten vorm Hotel über den Weg liefen. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen. Jedenfalls nicht bevor ich dem Kerl nicht noch einen Denkzettel verpasst hatte. Eine weitere SMS . Allerdings brauchte ich dafür Nellas Handy. Ich konnte also nur hoffen, dass sie nicht den Akku leertelefonierte.
Frauen! Wahrscheinlich beschrieb sie ihrer Freundin gerade bis ins kleinste Detail die Einkäufe, die sie heute getätigt hatte. Unfassbar. Wie konnte man nur so viel Geld für Klamotten ausgeben?
Aber da war es wieder: Hatte man erst einmal die Kreditkarte gezückt, war man den Frauen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Kein Wunder, dass so viele Männer bereits in jungen Jahren an einem Herzinfarkt starben.
Es ist inzwischen kurz nach sieben, und mir reißt langsam der Geduldsfaden. «Nella!», brülle ich, «wenn du nicht sofort die Tür öffnest, lasse ich dich wegen Kreditkartendiebstahl verhaften!»
Entweder sie hat mir die Drohung abgenommen, oder aber sie empfindet noch einen Rest Pflichtbewusstsein mir gegenüber, denn vorsichtig öffnet sich nun die Badezimmertür. Nella steht in diesen lila Tretern und dem Unterkleid, das, wenn ich alles richtig verstanden habe, eigentlich ein Überkleid sein soll, im Türrahmen. Als die Tür ganz geöffnet ist, beginnt sie, sich um die eigene Achse zu drehen. Dabei schaut sie nach jeder halben Runde verliebt auf ihre Schuhe.
«Bist du sehr wütend?», fragt sie zuckersüß und plinkert mich an. «Ich meine, du hast mir doch extra die Karte gegeben, damit ich mir was Schönes kaufe. Und ich wollte dich vor den anderen Arztfrauen auch nicht als knickerig dastehen lassen.»
Mir liegt auf der Zunge, dass sie sich – zumindest was die Schuhe betrifft – ja wohl nichts Schönes, sondern etwas ausgesprochen Furchtbares gekauft hat. Außerdem ist es mir herzlich egal, ob Frau Hartmann mich für knauserig hält oder nicht. Aber ich bleibe stumm. Zum einen weil ich wegen des durchsichtigen Kleids etwas abgelenkt bin und zum anderen weil ich etwas suche: Nellas Handy. Ich muss sofort eine Nachricht an ihren Leo schicken, damit der die Lobby räumt. Und dann sollte ich mich langsam auch mal umziehen, immerhin werden wir bereits in einer Dreiviertelstunde von Raoul erwartet.
«Paul? Jetzt sag doch mal was.»
Ohne Nella eines Blickes zu würdigen, schiebe ich sie zur Seite. Wo kann das blöde Ding nur sein? Sie hat doch eben noch damit telefoniert. Mein Blick durchforstet das Badezimmer. Da liegt es. Auf dem Badewannenrand.
«Mhm
…
ja, ja», knurre ich in ihre Richtung, und dann bin ich es, der wieselflink im Bad verschwindet und
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