Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
außerdem, dass Paul sicher ganz aus dem Häuschen wäre, wenn er die Schuhe an mir sieht. Bin mir da allerdings nicht so sicher. Männer mögen eigentlich keine Wedges.
18 Uhr 20 . Schon gar nicht, wenn sie lila sind.
18 Uhr 22 . Paul ist aus dem Häuschen! Total! Gerade kam er rein, und schon hüpft er durchs Zimmer. Allerdings hauptsächlich wegen der Rechnung, die er im Mülleimer gefunden hat.
18 Uhr 25 . Mist! Jetzt hat er das Kleid entdeckt.
18 Uhr 35 . Habe mich mit den Sachen auf dem Klo eingeschlossen, da ich Grund zu der Annahme hatte, Paul würde Schuhe und Kleid wieder zurückbringen wollen. Werde jetzt doch besser mal bei Elisa anrufen.
18 Uhr 40 . Hm, Paul scheint weggegangen zu sein, jedenfalls ist es so still da draußen. Wieso nur? Ich dachte, das Ehepaar Rosen sei mit den Ehepaaren Schümli und Hartmann zum Dinner verabredet?
18 Uhr 50 . Oh, Paul ist doch nicht weggegangen. Gerade hämmert er gegen die Tür und mahnt zur Eile. Spießer!
Elisa fand Leos Benehmen übrigens überhaupt nicht verwunderlich. «Das erklärt jedenfalls, warum er so plötzlich in die Schweiz gezogen ist», meinte sie gerade am Telefon. «Der wollte ein geheimes Doppelleben führen. Und da du ihn nun dabei ertappt hast, hatte er die Hoffnung, du würdest das tolerieren.»
Ich überlegte einen Augenblick. «Verstehe», sagte ich dann, obwohl das nur die halbe Wahrheit war. «Das Merkwürdige ist aber, dass er so komische Sachen gesagt hat.» Ich versuchte mich an den genauen Wortlaut von Leos kryptischen Sätzen zu erinnern, die er mir heute Morgen entgegengeschleudert hatte. «Er hat zum Beispiel gesagt:
Ich habe mich so über deine
SMS
gefreut
. Dabei habe ich ihm doch gar keine geschickt! Und dann hat er gesagt:
So eine Einstellung hätte ich dir gar nicht zugetraut
. Und dann noch:
Stille Wasser sind tief.
Als hätte ich mich irgendwie zu dem Thema geäußert. Verstehst du?»
Elisa schwieg einen Moment, was nur bedeuten konnte, dass sie Leos Verhalten ebenfalls nicht nachvollziehen konnte. Nach einer Weile sagte sie: «Also, ehrlich gesagt habe ich auch keine Ahnung, was in dem Typen vorgeht.» Sie legte erneut eine Pause ein, und ich war heilfroh, Freundinnen zu haben, die mir halfen, auch den abwegigsten männlichen Verhaltensmustern noch einen Sinn zu geben. «Allerdings könnte es bedeuten, dass es möglicherweise noch eine dritte Frau in Leos Leben gibt», fügte sie schließlich hinzu. «Und mit der hat er dich verwechselt.»
Herrje. War das realistisch? Der Kerl wurde mir immer unheimlicher. Die ganze Geschichte war ja fast so, als würde man nach 10-jähriger Ehe erfahren, dass der Mann, mit dem man drei Kinder und einen Bausparvertrag hat, eigentlich ein schwuler Pornodarsteller ist. Entsetzlich!
«Paul Rosen hat übrigens behauptet, viele Männer träumen davon, mit mehreren Frauen gleichzeitig zusammen zu sein. Vorausgesetzt, dass die Frauen alle nicht anstrengend sind.» Ich überlegte einen Moment, ob es schlau war, das Thema auszuweiten, konnte dann aber nicht an mich halten. «Glaubst du, dass Tom neben dir auch gern noch andere Frauen hätte?»
Elisa schnaubte in den Hörer. «Spinnst du? Du hast doch gerade selbst gesagt, die möchten das nur, wenn die Frauen nicht anstrengend sind. Also: Wie viele unanstrengende Frauen kennst du?»
Das war einfach. «Keine.»
«Siehst du. Und Tom ist ohnehin schon sehr wenig belastbar. Der hat nun wirklich nicht die Nerven für eine zweite Frau. Genau genommen ist er so schnell überfordert, dass ich nur hoffen kann, dass unser Baby ein Junge wird. Bei einem Mädchen würde Tom vermutlich die Pubertät nicht überleben.»
«Na, dann musst du dir ja keine Sorgen machen», seufzte ich. «Aber was soll ich denn nun wegen Leo unternehmen?»
«Gar nichts. Mach einen Bogen um ihn, Nella. Der Kerl ist unberechenbar.»
19 Uhr 10 . Elisa hat recht. Halte es daher für das Beste, von nun an jeglichen Kontakt zu Leo abzubrechen. Allerdings scheint mir Paul Rosen auch nicht ganz ungefährlich zu sein.
Gerade brüllte er nämlich: «Nella! Wenn du nicht sofort die Tür öffnest, lasse ich dich wegen Kreditkartendiebstahl verhaften!»
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15. Paul
Samstagabend
Beim Betreten des Zimmers war ich zunächst erleichtert. Alles schien in bester Ordnung: Nella war anwesend, die Kreditkarte lag auf dem Tisch, und nichts deutete darauf hin, dass vor kurzem noch ein fremder Mann auf dem Zimmer gewesen wäre.
Offenbar hatte
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