Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
die Tür hinter sich abschließt.
Ab sofort zählt jede Minute. Je eher ich den Kerl in die Flucht schlage, umso besser. Also schnappe ich mir das Telefon und starre fassungslos auf die Liste der Anrufe in Abwesenheit. Sechs Mal hat der Idiot versucht, sie anzurufen. Sechs Mal! Für wen hält der sich, für Roman Abramowitsch? Ich setze mich auf den Badewannenrand und tippe die längste SMS meines Lebens:
Leo! Hör sofort auf, mich zu belästigen! Ich habe keinen Bock mehr auf einen Dreier mit dir und deiner Tussi. Seit ich mit Paul schlafe, muss ich meinen Orgasmus nämlich endlich nicht mehr vorspielen. Verzieh dich, du Versager!
Ich will gerade auf
Senden
drücken, da fällt mir noch etwas ein.
Übrigens: Falls du noch auf der Suche nach dem G-Punkt bist, dann könnte diese Frau dir vielleicht dabei behilflich sein …
An der Stelle verweise ich auf die Seite einer mir bekannten Sexualtherapeutin und schicke das Ganze ab. Dann schalte ich das Handy sofort aus und hechte unter die Dusche.
Eine Viertelstunde später bin ich zurück im Zimmer. Nella hat mittlerweile das hautfarbene Stützstrumpfhosenkleid zwischen sich und das Negligé gequetscht und sieht im Grunde genommen fast aus wie vorher. Nur dass man jetzt nur noch
glaubt
, ihre Haut zu sehen, in Wirklichkeit aber auf den Stoff blickt.
«Gefällt es dir wenigstens ein bisschen?», fragt sie, und ich kann an ihrer Stimme hören, dass sie sich das wünscht. Alle Frauen wünschen sich auf diese Frage ein Ja. Erfahrene Männer wissen auch, wie der Abend verläuft, sollte man diese Frage nicht mit Ja beantworten. Erfahrene Männer wissen außerdem, dass man sich mit dem Ja nicht allzu lange Zeit lassen darf.
«Äh
…
also
…
es ist
…
»
« WAS ?» fragt Nella alarmiert.
«Es ist
…
»
Sie hebt eine Augenbraue.
«Ist es das Kleid für über 1300 Schweizer Franken?» Ich kann es immer noch nicht glauben. Würde man den Stofffetzen wiegen, käme dabei ein Kilopreis von schätzungsweise 7700 Euro heraus.
«Ganz genau.» Herausfordernd stemmt Nella die Hände in die Hüften.
«Nun, es ist
…
es ist
…
»
Für die Stoffmenge ist es ein klitzekleines bisschen teuer, es steht dir aber großartig
. Das sollte ich sagen und damit sogar genau das aussprechen, was mir auf der Seele liegt. Dummerweise sage ich aber: «Es ist
…
etwas freizügig.»
«Was soll das denn schon wieder heißen?», faucht sie sofort. «Kann ich das etwa nicht tragen? Findest du mich zu dick? Und überhaupt, hast du jemals einer Frau ein Kompliment gemacht? Oder bist du etwa auch der Typ, der seinen Mund nicht aufbekommt?» Wütend funkelt sie mich an.
Ja, erfahrene Männer hätten gewusst, was da auf sie zukommt.
«Na ja, also
…
du weißt doch
…
dies ist eine Veranstaltung unter Ärzten. Die kleiden sich nicht so
…
so
…
»
«So was?»
«Ausgefallen.»
«Du meinst nuttig. Du findest das Outfit nuttig, sag es doch gleich. Ärzte finden grundsätzlich alles nuttig, was schwarz ist oder oberhalb des Knies endet.» Sie geht einen Schritt auf mich zu. «Jetzt mach dich doch mal locker!»
Da haben wir sie: Strumpfhosendiskussion Teil 3. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel über Klamotten diskutiert. Bislang gefiel mir eigentlich immer alles, was meine Partnerinnen anhatten. Aber die wurden auch nicht so angestarrt, wie Nella gestern im Restaurant. Dazu kommt, dass mich die Kleider meiner Freundinnen bislang auch keine 1379 Schweizer Franken gekostet haben. Da wird man doch wohl mal Bedenken äußern dürfen. «Ich wusste ja gar nicht, dass du dich so gut mit Ärzten auskennst.»
Nella schnappt nach Luft. «Also Leo fand immer alles toll, was ich angezogen habe.»
Sie lenkt ab. Klarer Fall. «Tja, aber Leo findet auch alles toll, was andere Frauen so anziehen. Vor allem wenn er darunter herumfummeln kann.»
Gut, das war ein bisschen unter die Gürtellinie geboxt, aber dieser Knilch hat es nun wirklich nicht verdient, auf einen Sockel gestellt zu werden.
Nella bekommt glasige Augen, und ich hoffe sehr, dass es nichts mit diesem Idioten zu tun hat. Möglicherweise sollte ich ein kleines bisschen zurückrudern, sonst treibe ich sie noch zurück zu diesem Kerl. Und mal ganz ehrlich: Was spricht schon dagegen, wenn andere Männer Nella gierig und mich neidvoll anstarren?
«Entschuldige bitte», sage ich deshalb sanft, gehe zu ihr und lege meinen Zeigefinger unter ihr Kinn. Mit leichtem Druck hebe ich ihren inzwischen hängenden
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