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Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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von Schlupflidern verdeckt, und die Patienten sehen erholt und frisch aus. Leider weiß man vorher nie genau, wie empfindlich der jeweilige Muskel reagiert. Bestenfalls sieht man hinterher zehn Jahre jünger aus, schlimmstenfalls wie Vicky Leandros.
    Also, bei mir verlief heute zum Glück alles prima. Die Injektionen hatten den gewünschten Erfolg, und ich kann Schümlis Entscheidung gelassen entgegensehen. Und zwar nicht nur deshalb. Noch etwas anderes gibt mir die Sicherheit, Sieger dieses Wettbewerbs geworden zu sein: Der Hartmann-Idiot hat einen Fehler gemacht!
    Tja, der hat doch glatt einer älteren Patientin versprochen, er verschafft ihr bis zum Start der Filmfestspiele in Cannes das Antlitz einer Fünfundzwanzigjährigen. Und zwar ohne Operation – und ohne dass es jemandem auffallen würde. Nun fragt man sich natürlich: Warum sollte sie so einen komplexen Eingriff überhaupt machen lassen, wenn es hinterher sowieso niemandem auffällt? Außerdem war die These höchst verwegen und ziemlich leicht als Geldschneiderei zu enttarnen, da die Dame bereits 55 Jahre alt war. Ein Vierteljahrhundert wegzuspritzen schien auch mir ein überaus gewagtes Vorhaben. Ich meine, man muss sich das mal vorstellen, das wäre ja so, als wolle man Uschi Glas in Hannah Montana verwandeln. Ausgeschlossen!
    Hinterher behauptete der Kollege zwar, er habe es mit einem Augenzwinkern gesagt und der Dame sei sehr wohl bewusst gewesen, dass er nur einen Richtwert nennen wollte, aber Professor Schümli schien mir nicht begeistert.
    «Ehrliccchkeit in hoffnungsvolle Worte gekleidet – das sollte unsere Devise sein», belehrte er Dr. Hartmann und mich, nachdem er der Patientin unter vier Augen erklärt hatte, dass eine solche
Optimierung
nicht ohne Operation zu schaffen sei. Schon gar nicht innerhalb von sechs Tagen. In der kurzen Zeit schaffe man höchstens einen Schritt in Richtung Melanie Griffith.
    Na, egal. In diesem Fall dürfte das wohl Schümlis Entscheidung zu meinen Gunsten beeinflusst haben.
     
    Nach einer Mittagspause «zur freien Verfügung», wie es bei Gruppenreisen immer so schön heißt, befinde ich mich nun endlich im Taxi auf dem Weg nach Cologny, wo Professor Schümli sein Urteil sprechen will.
    Die letzten Stunden habe ich damit verbracht, die blöden Kassenzettel von Nellas Shoppingexzess zu suchen. Da sie bei ihrer überstürzten Abreise nämlich beide Teile zurückgelassen hat (Nachthemd und lila Klumpschuhe), empfand ich es als mein gutes Recht, diese zurückzugeben. Leider war mein Einsatz vergeblich. Die Schuhe waren ohnehin getragen und das Kleid, jedenfalls das untere, mit Blutflecken verschandelt. Über 1 500 Euro hatte mich der Spaß gekostet. Unfassbar.
    Ich legte das Kleid aufs Bett, stellte die Schuhe davor und sah vor meinem geistigen Auge Nella, wie sie sich in diesem
Outfit
vor dem Spiegel begutachtete. Und wie sie sich nach der Schlägerei mit Leo besorgt über mich beugte und 

Zugegeben, es fühlte sich schon außerordentlich gut an, als sie sich um mich sorgte. Zumal sie in diesem Nichts von einem Kleid sehr gut ausgesehen hatte, trotz der orthopädischen Schuhe.
    Kurz entschlossen gab ich das Kleid in die Reinigung des Hotels. Später würde ich es dann einfach dem Roten Kreuz stiften, damit wenigstens ein Teil der karitativen Lügengeschichte wahr würde, die ich den Hartmanns erzählt hatte. Und wer weiß, dachte ich, vielleicht könnte ich sogar die Quittung als Spende von der Steuer absetzen?
     
    Abgekämpft und hundemüde, aber dennoch siegessicher mache ich mich am Nachmittag auf, um den letzten Teil dieses Wettkampfes in Angriff zu nehmen.
    «Mein lieber Dr. Rosen!», ruft Schümli mir bereits von der Treppe aus zu, als mein Taxi vor dem Eingangsportal der
Swiss Medical Esthetic Clinic
hält. «Schön, dass Sie da sind!»
    Ja, so werden Sieger empfangen, denke ich, während er mir entgegen eilt und anerkennend auf die Schulter klopft. Zur Feier des Tages trägt er einen perlmuttfarbenen Anzug mit silberner Krawatte. Sein Teint wirkt dadurch zwar nicht mehr ganz so verbrannt, dafür hat seine Haut aber nun einen Stich ins Ockerfarbene. Als hätte Schümli über Nacht eine Stange Roth-Händle ohne Filter geraucht.
    Die Sonne strahlt vom Himmel und scheint sich auf keinen Fall entgehen lassen zu wollen, bei meiner Siegerehrung ins Fenster zu leuchten. Auch der See glitzert heute besonders verheißungsvoll. Die Sträucher vor der Klinik beginnen bereits zu blühen, und es liegt ein

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