Die naechste Frau
war, bei der sie sich im Krankheitsfall entschuldigen musste. Komisch, wer könnte das sein? Sie blickte an sich herunter. Das Shirt, das sie trug, gehörte ihr nicht. Und warum war sie überall verpflastert? Sie schaute in den Spiegel, stutzte. Ihre Lippe war geschwollen und oberhalb der Augenbraue hatte ihr jemand mit drei Hautstrips eine Platzwunde verschlossen.
Sie versuchte krampfhaft, sich an etwas zu erinnern. Aber da war nichts. Jackie entschloss, sich zuerst zu duschen, danach würde die Welt besser aussehen. Aber was sollte sie anziehen?
Sie las den Zettel noch einmal. Ihre Wäsche war wo? In der Waschküche? Wo war die?
Sie verließ das Bad und machte sich auf die Suche. Der Flur war mit großflächigen Terrakotta-Fliesen ausgelegt. Es war warm unter den Füßen, darunter musste sich eine Fußbodenheizung befinden.
Der Flur mündete in ein Wohnzimmer, das in Jackie sofort den Wunsch wachrief, für immer hier zu bleiben. Ein großer weißer, im Landhausstil verputzter Kachelofen prägte den Raum. Davor stand eine einladende, antike Bank. Daneben befanden sich ein Stapel Holz und kleine Holzscheite zum Anfeuern. Auf dem Sofa lagen Kissen und eine kuschelige Schurwolldecke in knalligem Orange. Ein grober Holztisch mit vier Stühlen stand auf einem groben Flickenteppich. Ansonsten waren die schönen, alten Landhausdielen nicht verdeckt.
Nahezu nahtlos mündeten die Dielen in die hölzerne Terrasse draußen, die durch die großen Glastüren zu sehen war. Dahinter sah Jackie wie gebannt in einen blühenden, farbigen Bauerngarten. Wenn sie ihren Blick schweifen ließ, konnte sie die kahlen Berge des Sauerlandes sehen, die der letzte Sturm Lothar verursacht hatte. Es war überall so hell, so licht und so einladend, dass es Jackie beinahe den Atem verschlug. Sie setzte sich einen Augenblick aufs Sofa und ließ diesen friedlichen Anblick auf sich wirken.
Wahnsinn, dass man so wohnen konnte, dachte sie nach einiger Zeit mit einem Anflug von Bitterkeit.
Aber wo waren denn jetzt ihre Kleider, und wie war sie hierher gekommen?
Sie folgte dem Flur, ging an der Küche vorbei, die Treppen hinunter. Ihre Wäsche war im Trockner. Ihre Gore-Tex Jacke hing auf einem Bügel. Sie war noch feucht. Der Inhalt ihrer Taschen lag auf der Waschmaschine: Hausschlüssel, Geldbeutel, Feuerzeug und allerlei Krimkrams.
Süß, jemand hatte ihre gesamten Klamotten gewaschen. Sie glaubte zu ahnen, warum es nötig gewesen war. Sie hatte wieder zuviel getrunken. Wie peinlich.
Sie fühlte sich niedergeschlagen, als sie mit ihren Kleidern die Treppe emporstieg. Plötzlich war ihr eingefallen, warum sie sich betrunken hatte. Sofort stellte sich auch dieses Gefühl wieder ein, dieses bohrende Gefühl, alles falsch gemacht zu haben, die Gewissheit, versagt zu haben und das Unglück, in eine Frau verliebt zu sein, die nie etwas von ihr wissen wollen würde.
Oh Gott.
Schlagartig war alles wieder da.
Warum konnte man sich nicht dauerhaft betrinken, ohne jemals einen Kater zu haben?
Gequält ging Jackie den Flur entlang, betrat das Bad. Sie las den Zettel noch einmal und wunderte sich über so viel liebevolle Unterstützung. Wer hatte sie ihr zuteil werden lassen?
Plötzlich erstarrte sie.
Nein, lass es nicht wahr sein!
Sie eilte den Flur zurück in Richtung Haustür. Riss sie auf, sah auf das Türschild und las: Alexandra Breitenbach.
Panik überkam sie.
Nein.
Warum ich? Warum passiert immer mir so etwas?
Jackie war sich sicher gewesen, nicht mehr tiefer fallen zu können als in letzter Zeit, aber sie hatte sich geirrt. Sie konnte dem Ganzen immer noch mal eins draufsetzten.
Oh Gott. Lass es doch einfach nicht wahr sein .
Was sollte sie jetzt machen? Wie sollte sie dieser Frau je wieder in die Augen blicken können?
Sie war bei ihrer eigenen Chefin gelandet. Wo waren sie aufeinander getroffen? Sie konnte sich an nichts erinnern.
Verdammt.
Sie nahm sich vor, sich schleunigst anzuziehen. Vielleicht noch schnell das Bett abzuziehen, in die Waschmaschine zu schmeißen und dann schnell weg. Und sich am besten heute noch einen anderen Job zu suchen. Ihr Herz begann aufgeregt zu klopfen. Sie zwang sich, jetzt nicht hysterisch zu werden.
Sie ging ins Schafzimmer, wollte das Bett abziehen, indem sie diese Nacht verbracht hatte. Dankbar nahm sie es zur Kenntnis, trotz der Peinlichkeit.
Wo hatte ihre Chefin geschlafen? Doch nicht etwas neben ihr?
Nein, sie wusste, sie war hier heute Nacht alleine gewesen. Ein letztes Mal legte sie
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