Die naechste Frau
sich zu rechtfertigen: „Es war nie etwas Tiefes, Alex. Einfach nur Sex. Mehr nicht.“
Alex wusste nicht, ob diese Erklärung jetzt dazu geeignet war, sie zu besänftigen. Sie wusste nur, dass sie Zeit brauchte, um das hier zu verarbeiten.
Jackies Blick glitt Richtung Fußboden, als sie sagte: „Es tut mir Leid, Alex.“
Sie sagte nichts darauf.
„Wollen wir gehen?“
„Ja.“
Sie fuhren wieder zurück. Schweigend. Zum ersten Mal empfanden beide ihr Schweigen als drückend.
Aber Alex gelang es nicht, Konversation zu machen. Etwas in ihr wühlte, ließ ihr keine Ruhe. War es nicht sehr riskant, sich mit so einer Frau einzulassen?, ertönte eine bohrende Stimme in ihr. Und sie hatte alles auf diese Karte gesetzt. Ihren Job als Hausleitung, sie hatte sie beide als Paar geoutet. Was sollte sie machen, wenn es nicht funktionierte?
Plötzlich spürte sie Zweifel. Was war los mit ihr? Was hatte sie bis in ihre Festen erschüttert? Die pure Vorstellung, wie andere Frauen Jackie berührt hatten? Mit ihr glücklich gewesen waren? Auch, wenn es sich nur um Stunden gehandelt hatte.
Würde man so ein Leben einfach hinter sich lassen können? Bilder von Jackies früherer Frauen drängten sich Alex auf. Waren sie eher blond oder braunhaarig gewesen? Mit kurzen oder langen Haaren. Es war ja wohl alles dabei gewesen sein. Alex musste sich zusammenreißen.
Jackie drückte auf das Funksignal für die Garage, als sie angekommen waren. Die Rückfahrt war ihr viel kürzer erschienen. Sie fuhr hinein, Jackie stellte den Motor ab. Das grelle Neonlicht sprang an.
„Sag’s mir einfach, Alex. Was ist los? Bereust du es? Hab ich dir schon zu viele Frauen gehabt, oder was?“ Jackie zog den Schlüssel ab, wartete auf ihre Antwort.
Alex strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie atmete tief ein. „Was mache ich, wenn du zu diesem Leben zurück willst? Wenn du merkst, dass etwas Verbindliches gar nichts für dich ist? Wie lange wird es dauern, bis du dich nach einer anderen Frau sehnst?“ Ihre Fragen und Ängste drängten nur so aus ihr heraus, verschafften sich Raum, quollen einfach hervor.
Jackie sagte kein Wort.
„Wo bleibe ich, wenn du dich nach diesem Leben zurück sehnst?“, wiederholte Alex eindringlich. Sie fühlte sich plötzlich müde und abgekämpft, stöhnte leise auf.
Jackie saß immer noch schweigend da.
Entschlossen öffnete Alex die Tür und stieg aus. Sie betrat den Flur durch die Seitentür, zog sich Jacke und Schuhe aus, dann ging sie in die Küche und setzte Kaffee auf. Sie hatte das Gefühl, etwas ganz Alltägliches machen zu müssen.
Jackie war ihr gefolgt, stand plötzlich hinter ihr. „Du kapierst es nicht die Bohne“, hörte Alex ihre aufgebrachte Stimme.
„Dann erklär es mir.“
„Meinst du es macht Spaß, andauernd eine andere im Bett zu haben?“
„Ach, hat es dir etwa keinen Spaß gemacht? Was war es dann? Pflichtgefühl?“ Alex merkte selbst, wie sie zynisch wurde. Aber es tat einfach weh.
„Du weißt doch nicht, wie das ist. Du aus deinem geordneten Elternhaus.“
Alex versuchte, sich in ihre Lage zu versetzen. Aber selbst wenn man in der Kindheit schlechte Erfahrungen gemacht hatte, konnte man als erwachsener, denkender Mensch nicht die Verantwortung für sein Leben selbst in die Hand nehmen und manche Dinge korrigieren? „Warum hast du nie eine Therapie gemacht? Du bist nicht dazu verurteilt, deine Missbrauchserfahrung das ganze Leben mit dir herumzutragen.“
Jackie starrte sie an, einen kurzen Augenblick, bevor sie völlig ausrastete. „Woher willst du das wissen?“, rief sie verzweifelt auf, „weil du mal was darüber gelesen hast? Du kannst doch nicht mal erahnen, wie sich das anfühlt. Du hattest eine Mutter, die ihren Job aufgegeben hatte, als du auf die Welt kamst, einen Vater der stolz auf dich war. Du hast es doch dein Leben lang in den Arsch geblasen bekommen. Du hattest dich noch nie fragen müssen, ob etwas mit dir nicht stimmt, ob es irgendwie an dir selbst liegt. Oder hast du jemals Grund gehabt, an dir zu zweifeln? Hast du dich jemals gefragt, ob alles, was schief gelaufen ist in deinem Leben, doch vielleicht deine eigene verdammte Schuld ist? Weißt du, wie lange ich mir immer wieder mit den gleichen Fragen mein Gehirn zermartert habe, auch wenn ich es gar nicht wollte? Meinst du nicht, ich sehnte mich auch nach einer Frau, mit der ich zusammen sein kann, zusammen leben kann, ohne spätestens in der zweiten oder dritten Nacht damit
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