Die naechste Frau
wie schnell etwas alltäglich wurde, kaum dass man den Mut aufgebracht hatte, dazu zu stehen?
„Dankeschön“, sagte Alex. Dann fiel es ihr wieder ein. „Was machen Ihre Medikamente? Ich werde Ihren Schrank morgen überprüfen.“
Sie machte sich auf den Weg nach oben.
„Hey“, sagte sie, als sie Jackie vor dem Medikamentenschrank entdeckte. Jackie sah auf und strahlte sie an. Alex stockte der Atem. Ob das jemals nachließ, ob sie den Blick dieser Augen jemals wegstecken könnte, ohne, dass ihr Herz dabei ins Stolpern kam?
Jackie stellte den Medikamentenbecher auf dem Tablett ab, machte einen Schritt auf sie zu und küsste sie. „Hey. Du siehst müde aus.“
„Bin ich auch. Ich mach mich jetzt vom Acker.“
„Deinen Job möchte ich haben.“ Jackie grinste unverschämt, wurde jedoch sofort wieder ernst. „Du hast nicht viel geschlafen, stimmt’s?“
„Nicht sonderlich viel“, gab Alex zu, und setzte mit aller Deutlichkeit nach: „Aber es ist nicht deine Schuld!“
Jackie lächelte.
Aslan betrat das Stationszimmer. Sie spähte ums Eck.
„Ah, Chefin“, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme erfreut, „trinken Sie einen Mokka?“
„Nein, danke“, beeilte sich Alex zu sagen, „jetzt nicht. Aber vielen Dank für Ihr Angebot. Ich muss ins Bett“, sagte sie an Jackie gewandt. Sie verabschiedete sich rasch und verließ die beiden.
„Sag mal, spinnst du eigentlich?“, hörte sie Aslans tiefe, empörte Stimme, als sie die Tür bereits passiert hatte.
Alex blieb zögernd stehen, lauschte noch einen kurzen Augenblick.
„Das kannst du nicht machen. Du hast Spätschicht, und kannst ausschlafen, aber deine Frau, die muss früh raus. So geht das nicht. Was glaubst du, was die für einen Job hier machen muss? Kannst du immer nur an dich denken, oder was?“
Aslans Stimme schimpfte noch weiter, aber Alex hatte genug gehört. Sie grinste vor sich hin, als sie die Wohngruppe verließ, auch noch, als sie längst im Auto saß und auf dem Heimweg war. Irgendwann ging ihr Grinsen in ein herzliches Lachen über, das immer wieder hochkam, kaum dass sie auch nur an Aslans Standpauke dachte.
Die Frau war nicht ohne, wirklich wahr.
Sie betrat müde den Flur ihres Hauses. Der orangefarbene Zettel, den sie heute Morgen an den Spiegel geklebt hatte, war verschwunden. Dafür hing jetzt ein gelber da. Auf dem stand:
Ich verspreche es dir. Sie werden ewig kurz bleiben, wenn du es willst.
Jackie hatte eine schöne Handschrift. Alex seufzte dankbar, streifte ihre Schuhe von den Füßen, ließ sich im Wohnzimmer auf ihr Sofa fallen, zog die kuschelige Schurwolldecke über sich und war Minuten später eingeschlafen.
Nach zwei Stunden erwachte sie, weil es ihr zu warm wurde. Sie fühlte sich ausgeruht, mit neuer Kraft in den Gliedern. Alex entschied sich erst einmal dafür, Kaffee aufzusetzen, bevor sie sich an die notwenige Hausarbeit machte.
Sie sah sich um. Man erkannte auf den ersten Blick, dass diese Woche noch nichts geputzt worden war. Auch sollte sie sich mal daran machen, die Wäsche zu waschen, die sich mittlerweile in der Waschküche häufte. Es war ganz praktisch, dass Jackie heute erst später heimkam. Bis dahin würde sie fertig sein.
Alex war erstaunt, wie selbstverständlich Jackie inzwischen bei ihr wohnte. Ob sie ihre kleine Wohnung nicht bald aufkündigen wollte? Sie hatte sie bisher noch nicht einmal gesehen, dachte sie, als sie bedächtig ihren Kaffee schlürfte. Eigentlich merkwürdig. Sie kannte weder Jackies Wohnung noch ihre Freunde. Als hätte Jackie ihr altes Leben einfach hinter sich gelassen.
Aber wahrscheinlich kannten sie sich einfach noch nicht lange genug. Schließlich hatte sie Jackie ja auch noch nicht in ihren Bekanntenkreis eingeführt.
Hatte sie sich in den letzten Wochen überhaupt Zeit für ihren Bekanntenkreis genommen?
Ihr fiel auf, dass sie mindestes drei Leuten versprochen hatte, zurückzurufen. Sie würde es auf Morgen verschieben, nahm sie sich vor. Jetzt war erst mal der Haushalt dran.
Sie hörte Jackies Motorrad, als sie längst mit allem fertig war. Sie saß vor dem Fernseher, der Kaminofen brannte. Die Tür öffnete sich und Jackies Stimme rief munter:
„Hey. Jemand zu Hause?“
„Hier. Ich bin im Wohnzimmer.“
Jackie kam herein, ließ sich aufs Sofa fallen.
„Und? Hat sie dich fertig gemacht?“ Alex sah sie spöttisch an, musste wieder lachen.
„Wer?“, fragte Jackie überflüssigerweise.
„Aslan.“
„Das hast du noch mit bekommen?
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