Die Naechte der Venus
Hand. Der kupferne Geschmack in seinem Mund erinnerte ihn daran, wie leicht er in der Arena sein Leben hätte verlieren können. Davor hatte sie ihn bewahrt. Unter den Gladiatoren wurde immer von denen gesprochen, die Ruhm ernteten, jahrelang überlebten und am Ende die Freiheit erhielten – aber es waren nur wenige.
Sie liebte ihn. Aus irgendeinem für ihn nicht nachvollziehbarem Grund hatte sie sich in einen germanischen Barbaren verliebt. Weil er ein grober Barbar war, und weil er nichts so sehr wollte wie sie, sagte er Dinge, die sie traurig machten.
Der Blutstrom aus seinem Handballen war versiegt, und die Statue hatte einen dunklen Fleck auf dem Haar. Sie war geweiht. Widar setzte das Messer an. Winzige Späne lösten sich aus Friggas Gesicht. Die Nase wurde erkennbar.
Leise Schritte hinter ihm ließen ihn sich umdrehen. Einen Moment schlug sein Herz vor Freude, weil er dachte, Caelia habe ihn gesucht. Über dem Plateau erschien aber nur der Kopf des Lustknaben. Er wandte sich wieder seiner Schnitzarbeit zu.
»Hier bist du.«
Hortensius schaute ihm von hinten über die Schulter. Schnell bedeckte Widar die Statue mit den Händen.
»Was machst du?«
»Das geht dich nichts an.«
»Schon gut. Schon gut.« Der schlanke Knabe hockte sich vor ihm ins Gras. »Ich habe dich gesucht.«
»Hat sie dich geschickt?«
»Nein. Meine Herrin ist traurig. Sie sitzt in der Bibliothek und tut so, als würde sie lesen, aber ich weiß, dass sie die meiste Zeit aus dem Fenster schaut. Es war ihr egal, welches Kleid Asinoë ihr heute Morgen gebracht hat und welchen Schmuck sie ihr umgelegt hat.«
»Sie braucht gar keinen Schmuck«, brummte Widar.
Hortensius ging darauf nicht ein. »Sie ist wegen dir traurig. Ich liebe meine Herrin und dulde das nicht.«
»Willst du mir drohen?« Widar streckte einen Arm vor.
Erschrocken sprang der Knabe auf, starrte auf den Älteren und Kräftigeren, und ihm wurde bewusst, dass er sich zu weit vorgewagt hatte. Ohne ein weiteres Wort trat er den Rückzug an.
Widar wusste nicht, ob er lachen oder den Kopf schütteln sollte. Er entschied sich für beides und wandte sich wieder seiner Schnitzerei zu. Frigga musste fertig werden, denn morgen war die kürzeste Nacht des Jahres, die wollte er mit Caelia verbringen und ihr dabei das Geschenk geben.
Unendlich behutsam arbeitete er ihr Gesicht aus dem Holz heraus. Am Ende waren die Augen etwas schief und gaben ihr ein verwegenes Aussehen. Es passte zu Caelia.
Zuletzt polierte er die kleine Statue mit einem Zipfel seines Gewandes. Noch besser wäre es gewesen, sie mit dem Öl von Walnüssen einzureiben, damit das Holz eine glänzend braune Farbe annahm. Walnussöl hatte er nicht, Reiben mit einem Tuch musste genügen.
Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sein Werk. Die kleine Göttin war schön geworden. Zum Schluss drückte er ihr einen Kuss auf den Scheitel.
***
»Heute ist eine besondere Nacht.«
Widar trat vor Caelia. Sie saß auf dem Rand eines Brunnens in einem von mehreren Innenhöfen ihrer Villa und ließ die Beine baumeln.
Sie sah so jung und zart aus in ihren hellgrünen Gewändern, als wäre sie kaum sechzehn Jahre alt. Ihr Gesicht war sehr blass, große dunkle Augen schauten zu ihm auf. Die Haare hatte sie nur vorne hochgesteckt, auf dem Rücken fielen sie ihr in langen Flechten bis zur Hüfte. Zaghaft lächelnd ergriff sie seine angebotene Hand und ließ sich auf die Füße ziehen.
Er führte sie aus dem Patio und aus der Villa hinaus, den schmalen Pfad zum Plateau hinauf, von dort aus weiter zwischen Pinien und Büschen hindurch. Zweige strichen wie Finger über ihren Körper, und durch die dünnen Sohlen ihrer Schuhe spürte sie jeden Stein. Das Zirpen der Grillen begleitete die blutrot untergehende Abendsonne.
Sie hielt sich dicht an Widar. Allein in dieser Wildnis wäre sie verloren. So weit war sie in den Pinienhain noch nie vorgedrungen – und er ging immer noch weiter.
Er drehte sich um, nahm sie in die Arme. »Keine Angst. Ich bin bei dir«, murmelte er in ihr Haar. »Vertraust du mir?«
»Natürlich.« Sie lehnte sich an ihn.
»Ich habe alles dabei.« Widar zeigte ihr einen Beutel, den er die ganze Zeit an seiner linken Seite getragen, und den sie bisher nicht bemerkt hatte.
Sie drangen weiter in den Hain vor. Ihr Herz klopfte schnell vor Aufregung bei den Gedanken an die kommende Nacht.
Gerade als ihre Füße zu schmerzen begannen, blieb er stehen. Der Platz unterschied sich für sie in nichts von
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