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Die Naechte der Venus

Die Naechte der Venus

Titel: Die Naechte der Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Alberti
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zu halten. Sie zitterte am ganzen Leib und Tränen liefen ihr über die Wangen, hinterließen schmutzige Streifen. Ihr einst sorgfältig frisiertes Haar hing ihr strähnig ins Gesicht, und ihre ehemals weiße Tunika war grau vom Straßenstaub.
    Als Widar wie ein Rachegott neben ihr auftauchte, zuckte sie zurück und weinte um so heftiger. Die Kutschentür wurde geöffnet und heraus kletterten eine einfach gekleidete, mütterlich wirkende Frau und ein alter Mann. Er konnte sich wegen seines Alters oder des Schrecks kaum auf den Beinen halten. Als Letzter verließ schließlich ein Mann in einer kurzen Sklaventunika den Wagen. In ihm erkannte Widar sofort den eigentlichen Kutscher. Pferdegeruch haftete an ihm.
    »Mein Lämmchen.« Die Frau stürzte zu dem Mädchen, half ihr vom Kutschbock herunter und schloss sie in die Arme.
    Widar hatte inzwischen die Trensen der Pferde ergriffen und sprach beruhigend auf sie ein. Das Beben ihrer Flanken ließ langsam nach.
    »Du hast meine Sempronia erschreckt«, fuhr ihn die Matrone an und schimpfte gleich darauf weiter mit ihrem Schützling. »Warum musstest du den Wagen kutschieren? Ich habe gleich gesagt, dass das kein gutes Ende nehmen wird. Und dann noch zu rasen!«
    Der Kutscher besah sich gemeinsam mit Widar den Schaden. Zum Glück gab es kaum einen, und sie überlegten, wie sie den Wagen wieder auf die Straße zurückbringen könnten. Das Feld war tiefer als die Radachse hoch war. Widar runzelte die Stirn. Der Kutscher sah nicht besonders stark aus.
    Sie stemmten sich gegen den Wagen. An Widars Hals und Oberkörper schwollen die Adern, sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung. Wie Stein lastete das Gewicht auf seinen Schultern. Das Gefährt hob sich eine Handbreit. Nun konnte er besser unter den Wagen fassen, und von da an ging es leichter. Der Kutscher trieb die Pferde an, die die Kutsche auf die Straße zurückzogen.
    Hinterher zitterte Widar am ganzen Körper, seine Arme fühlten sich an, als könnte er nie wieder ein Messer halten, geschweige denn eine schöne Frau. Keuchend lag er am Straßenrand. Sempronia kam und reichte ihm einen Wasserschlauch. Anschließend teilten sie alle ein einfaches Mahl aus ihren Vorräten. Außer in Caelias Gegenwart hatte Widar sich mit Römern noch nie so wohl gefühlt. Der Unterschied zu den Leuten aus seinem Volk war gar nicht so groß. Sie hätten ihr Essen genauso miteinander geteilt.
    »Ich will nach Rom.« Widar erhob sich. »Welcher Weg führt hin?«
    »Der.« Der Alte zeigte auf den rechten Weg.
    »Der.« Der Kutscher deutete nach links.
    Beide sahen sich an und lachten. Widar war verwirrt.
    »Alle Wege führen nach Rom.« Der Alte schenkte ihm ein zahnloses Grinsen. »So ist das überall im Imperium. Du kannst Rom gar nicht verfehlen.«
    Einen guten Ritt wünschten sie ihm noch, als Sempronia zu ihm trat.
    »Danke für alles«, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln und schaute zu Boden. Ganz zum Schluss hielt sie ihm die Hand hin.
     
    ***
     
    Ohne weitere Zwischenfälle gelangte Widar nach Rom. Er hatte sich für den linken Weg entschieden. Die Stadt lag unter einer Dunstglocke in der Nachmittagssonne, als er das Tor passierte. In den Straßen wimmelte es von Menschen. Mehr als eine Sprache drang an sein Ohr. Gerüche nach Unrat, Kochfeuern und Schweiß stiegen ihm in die Nase. Das Pferd scheute, er hatte alle Mühe, es zu beruhigen, stieg dann ab und führte es, da es ihm sicherer schien.
    Der Nachmittag ging bereits in den Abend über, als er sich endlich zu Caelias Villa durchgefragt hatte. In wenigen Augenblicken würde er sie wiedersehen. Er stellte sich vor, wie sie ihn erst erstaunt ansah, wie sich dann ein bezauberndes Lächeln auf ihr Gesicht stahl, und sie sich schließlich in seine Arme werfen würde.
    Ein dumpfer Schlag ertönte, als Widar den Türklopfer betätigte. Die Tür öffnete sich, ein Nubier stand ihm gegenüber.
    »Ich will zu Caelia.«
    »Sie ist nicht da!«
    »Dann warte ich.«
    Der Nubier wollte die Tür wieder schließen, aber Widar stellte den Fuß dazwischen. »Ich warte im Haus.«
    Als Antwort hob der Türhüter seine Keule. Widar erkannte, dass dessen schlaff aussehendes Fleisch in Wirklichkeit eisenharte Muskeln waren. Es würde nicht leicht sein, an ihm vorbeizukommen, aber seine Sehnsucht verlieh ihm zusätzlichen Mut.
    »Lass mich vorbei. Du wirst sonst bereuen.«
    »Selber bereuen.«
    Der Türhüter hatte zwar weiter seine Keule erhoben, machte aber keine Anstalten, sie auch zu benutzen.

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