Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

viel zu früh verlieren wird? « Ich sah ihr direkt ins Gesicht. » Scheiße, Wanda! Warst du auch dort? Hast du auch auf ihn geschossen? «
    Sie fuhr an den Straßenrand. » Nein, das habe ich nicht. Ich wurde nicht einmal benachrichtigt, als die Schießerei losging. Und weißt du auch, was das bedeutet, Jessie? Weißt du’s? «
    Ich glaubte ihr kein Wort.
    » Kann sein, dass ich demnächst komplett abserviert bin, weil ich mich immer wieder für sie einsetze. Die CIA will das Haus stürmen und sie hochnehmen. Und was sage ich? Oh nein, können wir das nicht vernünftig lösen? Das sind doch noch Kinder, beschwöre ich meine Vorgesetzten. Sie sind bloß verwirrt – Sie wissen doch, wie Teenager sind. Bringen wir sie dazu, mit uns zu kooperieren. « Ihre Finger krampften sich um das Lenkrad. » Wie viele Pläne, sie festzunehmen – mit Gewalt festzunehmen – habe ich schon vereitelt , Jessie. Und dann machen sie so was! «
    » Was erwartest du denn von ihnen? Sie stirbt doch! «
    Wanda holte tief Luft und schien ihren Ärger kaum bezähmen zu können. » Ich erwarte von ihnen, dass sie mich nie wieder in so eine Situation bringen. Da liegen Leute von uns im Krankenhaus. «
    » Keine Toten? «
    » Nein. Dein Freund hat das offenbar in seinem kleinen Rudel durchsetzen können. Ich weiß nicht, ob ihnen das helfen oder schaden wird. Übrigens – wo war eigentlich Cat? Dem Bericht nach war sie an der Schießerei überhaupt nicht beteiligt. «
    » Gehen wir jetzt zu dem Wettbewerb, oder nicht? «
    Wir fuhren wieder los. Ich vergrub mich in meinem Sitz, stöpselte den MP 3-Player ein und konzentrierte mich auf den Rhythmus – fast wie die Taktschläge zwischen dem Anheben der Waffe, dem Abfeuern und dem Absetzen. Sorgen machte ich mir keine. Die Rusakovas erholten sich zu Hause, während Cat und Alexi die Umgebung im Auge behielten. Die CIA kehrte wahrscheinlich immer noch Scherben zusammen.
    Zwanzig Minuten später erreichten wir den Schießplatz. Wanda brachte den Wagen auf dem knirschenden Kies zum Stehen und klopfte aufs Armaturenbrett.
    Andere Autos waren nicht zu sehen. » Huch. Wir sind wohl die Ersten. «
    » Wir sind auch früh dran. «
    » Gut. « Ich nahm eine Schießbahn gern in Augenschein, bevor alle anderen kamen und Nervosität verbreiteten. So konnte ich mir das Bild schon einprägen, bevor ich die Waffe überhaupt aus dem Koffer nahm.
    » Jessie. «
    Mir graute jetzt schon vor Wandas nächster Predigt.
    » Glaubst du wirklich, ich würde mit dir angeben, wenn du gut abschneidest? Es an die große Glocke hängen? Dich in Verlegenheit bringen? « Heute war Wanda noch merkwürdiger als sonst.
    » Du hast mich ja auch ein bisschen trainiert. Und manche Trainer sind vor allem gut darin, sich etwas als Verdienst anzurechnen. «
    » Oh. « Sie schaltete die Zündung aus.
    Und starrte mich an.
    » Was denn? «
    » Entschuldige, dass ich dich mit diesem Football-Typen zusammenbringen wollte und weg von Pietr. « Sie seufzte. » Du bist unheimlich loyal, und das ist ziemlich selten. « Sie zupfte nachdenklich am Lenkradbezug herum. » Ich … ich bin stolz auf dich, Jessie. Du setzt dich wirklich ein für die Menschen, die dir wichtig sind. Manchmal bist du richtig erwachsen. «
    » Ich bin das Produkt meiner Umwelt. Unter Werwölfen und CIA -Agenten muss man schnell erwachsen werden. «
    Wanda nickte, streckte sich nach hinten und reichte mir den Pistolenkoffer. Dann murmelte sie etwas wie: » Manchmal wird man überhaupt nicht erwachsen. «
    » Was? «
    » Schau dich mal auf der Anlage in der Halle um. «
    Ich nickte.
    » Sie ist im Untergeschoss « , sagte sie noch.
    » Lassen sie die immer offen? «
    » Joe kommt normalerweise früher um aufzusperren und verschwindet dann noch mal in der Stadt auf einen Kaffee « , erklärte sie. » Er stellt hier zwar auch welchen hin, aber den trinkt er nie selber. War früher selbst ein Wettkampfschütze. «
    » Cool. « Ich öffnete die Tür zum Clubhaus. Es roch nach Kaffee. Neben einer Flasche mit milchfreiem Kaffeeweißer stand ein Stapel frischer Plastikbecher und daneben lagen ein paar Zuckerpäckchen und ein kürzlich benutzter Löffel.
    Ich ging weiter nach hinten, meine Schritte hallten auf den abgewetzten Linoleumfliesen und wirbelten Staubflusen auf. Hier musste mal wieder sauber gemacht werden.
    Ich zog die Jacke aus und klemmte sie unter den Arm. Ich zog die Tür auf und spähte die Treppe hinunter.
    » Uuh. « Der typische muffige Geruch von Orten, die zu