Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

zuvor selbst angeführt hatte.
    Cat schloss hinter uns die Türe und mit vereinten Kräften legten wir Max auf dem Sofa im Wohnzimmer ab. » Langsam stinkt’s mir, immer neue Möbel besorgen zu müssen « , sagte sie mit bebender Stimme.
    Ich griff unter die Marmorplatte und tastete mit dem Finger nach der Wanze. Ich konnte sie aber nicht finden. Pietr lächelte mich an, eine rohe Bewegung der Lippen, während ihm aus einer anderen Wunde Blut ins Auge lief. Bei Max’ losem Mundwerk hatte er die Wanze entfernt, als das Risiko den Nutzen zu übersteigen drohte.
    » Du kommst als Letzter an die Reihe « , meinte Cat zu Alexi. » Müssen wir eine Wache aufstellen? «
    » Njet. Die werden eine Weile lang aufräumen müssen. «
    Ich hatte nicht mitbekommen, dass Amy fort war, bis sie mit einem ganzen Arm voll Verbandszeug und Tinkturen ins Zimmer gesaust kam.
    » Kluges Mädchen « , beglückwünschte Alexi sie. » Aber jetzt gehst du besser nach Hause. «
    Cat riss ihr die Packungen aus den Händen. » Pietr. Setz dich dort hin und schau, dass du nicht die ganzen Polster vollblutest. Max. «
    Sie bückte sich über ihn. » Max! « Sie verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. «
    Er öffnete die Augen und mühte sich offensichtlich, scharf zu stellen. » Schwesterrr « , krächzte er.
    » Wach auf, du Idiot! Ich muss wissen, wo jede einzelne Kugel getroffen hat. Dein Körper ist dabei, alles zu versiegeln. Ich wette, dass sie radioaktive Munition verwendet haben. «
    » Da « , pflichtete er benommen bei. » Sind ja nicht blöd. Sie brauchen ja nur einen von uns zu kriegen, das genügt ihnen. «
    » Wovon zum Teufel redet er? « , fragte Amy.
    » Ach nichts « , sagte Cat. » Er hat eins auf die Birne bekommen. Jetzt ist er völlig übergeschnappt. «
    » Aber … «
    » Hol mir mal das Skalpell dort « , befahl Cat. » Ist es auch scharf? « , fragte sie Alexi.
    » Wie ein Rasiermesser. «
    » Harascho. Filzmarker brauchen wir auch. Sonst vergessen wir am Ende noch eine … Dort in der Schublade müssten welche sein. «
    Ich nahm Pietrs Hand und ließ ihn die Gaze selbst auf seine Kopfwunde drücken, während ich die Stifte suchte.
    » Ihr Jungs riskiert euer gutes Aussehen « , murmelte Cat, während sie die Klinge des Skalpells mit Alkohol abrieb. Sie sah mich an. » Zieh Pietr das Hemd aus und mach einen Kreis um jedes Einschussloch. Dann suchst du nach Austrittskanälen. «
    Ich nickte, zögerte aber. Wie sollte ich das T-Shirt herunterbekommen, ohne ihm noch mehr wehzutun?
    » Reiß es runter « , meinte Cat mit einem Seitenblick und kümmerte sich weiter um Max.
    Ich fasste den Ausschnitt und riss ihn entzwei. Das Geräusch erinnerte mich schmerzlich an Cats letzte Verwandlung. Ich musste mich zwingen, die Augen offen zu halten und die Wunden zu betrachten, die Pietrs schönen Körper verunstalteten. Zitternd malte ich Kreise um die zahlreichen Löcher.
    Pietr fasste mein Handgelenk und gab mir Halt. » Ist nicht so schlimm, Jess « , meinte er und sah mir in die Augen.
    Mir kamen die Tränen und alles verschwamm vor meinen Augen. » Für die Lügen in unserer Beziehung war bislang immer ich zuständig. Also fang du nicht auch damit an. «
    Er lehnte sich zurück und beobachtete unter schweren Lidern, wie ich an ihm arbeitete und Wunden markierte, die sich bereits zu schließen begannen.
    » Ich muss deinen Rücken ansehen. «
    Er stöhnte und rollte sich mühsam herum.
    » Ist das nun gut oder schlecht, dass da eine Austrittswunde ist? « , fragte ich.
    » Das ist okay « , antwortete er, aber das letzte Wort war mehr gepfiffen als gesprochen.
    » Lügner « , gab ich zurück.
    » Mach du das! « , kreischte Cat Alexi an. » Verdammte Menschenhände! Wie soll man die ruhig halten. « Verzweifelt stand sie neben Max und hielt ihm das blutige Messer hin.
    Alexi nahm es ihr aus der Hand und gab beruhigende Laute von sich. » Kreis du die anderen Wunden ein « , flüsterte er. » Ich mach die Schnitte. Ich habe mit meinen verdammten Menschenhänden schon ein bisschen mehr Übung. «
    » Hier. « Amy stand neben mir, die Hände voller Küchenmesser mit blanken Klingen, die stark nach Alkohol rochen. » Müssen die alle raus? «
    » Ja, jede einzelne Kugel. «
    Sie stupste mich an. » Rutsch mal. Sollten wir uns nicht die Hände desinfizieren? «
    » Ich … « Normale Infektionen schienen Werwölfen nichts auszumachen, aber was sollte ich Amy sagen? Ab welchem Punkt waren Lügen schlimmer als die Wahrheit?