Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
hing.
» Da? «
» Ich hatte Cat nach etwas gefragt, und dann hat Mrs Feldman dich auch danach gefragt … «
» Da? « Er blickte auf. » Wonach denn? «
» Prägung. «
Selbst über den Rückspiegel spürte ich die Hitze von Max’ Blick, als wir uns beide wie Verschwörer aneinanderdrängten.
Pietr seufzte. » Was möchtest du denn wissen? «
» Was ist das? Und was bedeutet das für dich, wenn du dich auf jemanden prägst? «
Er rieb sich die Stirn. » Bei unserer – Art – ist das seltsam … Dieses Bedürfnis, sich … fortzupflanzen. « Er sah mich nicht mehr an. » Das liegt wohl an unserer verkürzten Lebensspanne. Das ist so ein Trieb … «
» Ein machtvoller Instinkt « , warf Max ein.
» Sich zu paaren. «
» Oh. Klar, dass ausgerechnet ich diese Frage stellen musste « , murmelte ich und war viel zu verlegen, um noch zu erröten.
» Die Prägung – vermutet jedenfalls Alexi – ist eine Möglichkeit, einen Partner zu erkennen, der unsere Blutlinie verstärkt, sodass die Wolfsmerkmale dominant bleiben. Es kann jederzeit geschehen, aber … «
» Alexi vermutet das jedenfalls « , betonte Max.
» Es passiert am ehesten und intensivsten bei unserer ersten Verwandlung. Und dann ist es ein nicht zu leugnender Trieb. Eine Verbundenheit ohnegleichen. So bestimmt die Natur … «
» … das Schicksal der nächsten Generation « , fuhr Max fort.
» War Alexi deswegen so sauer, als du darauf bestanden hast, dass ich bei deiner ersten Verwandlung dabei bin? «
Pietr wich meinem Blick aus und zuckte mit den Schultern.
» Er fürchtete, dass wir uns aufeinander prägen. « Ich fasste mir an den bandagierten Arm. » Wolltest du denn, dass wir uns aufeinander … «
» Prägen? « , kicherte Max.
Wieder hob Pietr die Schultern.
» Aber wir sind doch nicht … wir haben doch … «
» Njet « , flüsterte er, lehnte sich zurück und sah mich schwermütig an. » Wir sind nicht aufeinander geprägt. «
» Wünschst du, wir wären es? «
» Njet. « Er seufzte tief. » Ich glaube nicht, dass wir im Leben allzu oft die Wahl haben « , meinte er düster. » Aber ich möchte mir sicher sein – und möchte, dass auch du dir sicher bist – dass ich dich gewählt habe. «
36
P ietr legte die Hand an meine Wange und beugte sich vor, um mich zu küssen – mit geschlossen Augen und weichen Lippen, während wir im Halbdunkel unter einer Treppe in einem verlassenen Korridor der Junction High standen. Ich flocht meine Hände hinter seinem Hals ineinander, zog ihn zu meinem Mund herunter und drückte mich fester an ihn, schob ihn tiefer in den Schatten.
» Wir werden zu spät kommen « , flüsterte ich neben seinem Mundwinkel. Über uns auf der Treppe waren nur noch vereinzelt Schritte zu hören.
» Dann werde ich wieder für dich nachsitzen « , bot er mit strahlenden Augen an. Er ließ seine Wange an der meinen entlanggleiten und knabberte an meinem Ohr.
» Wir werden meinen Ruf noch vollends ruinieren « , witzelte ich.
» Solange wir das gemeinsam tun … « Und dann war sein Mund schon wieder auf meinem und ich erschauerte. Mein Rucksack rutschte mir von der Schulter und knallte auf den Boden.
Er stöhnte, hielt mich noch fester, presste mich an sich, und sein Atem wuchs zu einem besitzergreifenden Knurren an.
Ein Wimmern. Wir zuckten beide zusammen. Sarah beobachtete uns, die Knöchel zwischen die Zähne gepresst und das Gesicht in Tränen aufgelöst.
» Oh, Gott … Sarah! «
Sie schluchzte auf und rannte mit einem Trommelwirbel ihrer Absätze die Stufen hinauf.
» Ich muss … «
» Soll ich? « , bot Pietr seine Begleitung an.
» Nein. Das wird es nicht einfacher machen. «
Er nickte ernst. » Bis später im Unterricht. « Er hängte sich meinen Rucksack über die Schulter. Ich rannte die Treppe hinauf.
Ich hastete durch die Gänge und streckte meinen Kopf in alle Toilettenkabinen. Leer. Wo würde sich jemand die Augen ausheulen, der begriffen hatte, dass der Exfreund nicht zurückkommen würde und dass die beste Freundin daran schuld war?
Dabei war ich so vorsichtig gewesen und hatte sie behutsam daran gewöhnen wollen, Pietr und mich zusammen zu sehen – in der Öffentlichkeit. So oft hatte ich ihn weggeschoben, wenn ich ihn viel lieber an mich gezogen hätte. Ganz langsam hatten wir uns einander angenähert, während er seine Selbstbeherrschung geschult und seine wilden Instinkte bezähmt hatte. Immer wieder hatte ich ihn böse angeblickt, wenn er mir mit seinen Hundeaugen
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