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Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Titel: Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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vertraut, wenn er sie praktisch immer zur Hand hat. Aus demselben Grund lassen viele Polizisten ihre Holster umgeschnallt, auch wenn sie gerade nicht im Dienst sind. « Ich überlegte. » Hat Dad Ihnen gesagt, wo die Waffe herstammt? «
    » Er hat bestätigt, dass Wanda, eine Bekannte, dir die Waffe geborgt hat. Für den Wettkampf. « Sie tippte nachdenklich mit dem Kugelschreiber auf das Klemmbrett. » Ist doch immer wieder erstaunlich, wie der menschliche Verstand für zutiefst verstörende Dinge immer wieder augenscheinlich völlig plausible Erklärungen findet. Deinen Vater magst du mit deiner Version ja überzeugen, und ich muss zugeben, dass ich mich im Umfeld des Schießsports nicht gut auskenne. Trotzdem bin ich mir nicht zu hundert Prozent sicher, dass es nicht noch einen anderen Grund für die Waffe unter deinem Kopfkissen gibt. « Sie machte ein ernstes Gesicht. » Willst du dir etwas antun? «
    » Nein. Im Gegenteil, ich versuche zurechtzukommen. Ein normales Leben zu führen. «
    Kritzel, kritzel.
    » Die Selbstmordrate ist in unserer Region in letzter Zeit sprunghaft angestiegen « , berichtete sie.
    » Die Eisenbahn-Selbstmorde. Ich weiß Bescheid. Und trotzdem bin ich noch hier. Voller Begeisterung, hier in der Therapie zu sein. Wollten wir uns nicht darauf konzentrieren, wie ich die Trauer über den Tod meiner Mutter sinnvoll ausdrücken kann? «
    Kritzel. » Du scheinst desorientiert. Hast du Alkohol getrunken? «
    » Ich kann es mir nicht leisten, meine wenigen grauen Zellen durch einen gelegentlichen Schwips zu gefährden. «
    Kritzel. » Drogen? «
    » Schreiben Sie einfach siehe oben – da gilt dasselbe. Sehen Sie, ich hatte was wirklich Furchtbares zu Mittag. Eine Lebensmittelvergiftung epischen Ausmaßes. Hat mich völlig umgekrempelt. «
    » Ich hätte gerne eine Urinprobe von dir. «
    » Sie können mir gleich Ihre Kaffeetasse geben. «
    Kritzel, kritzel, kritzel.
    Sie stand auf und ihre Absätze klapperten rhythmisch auf dem grau melierten Linoleum. » Den Gang hinunter « , sagte sie und drückte mir einen Plastikbecher in die Hand, » und dann rechts. «
    Ich schlurfte davon, fand die Toilette und pinkelte in den Becher. Ich blieb noch einen Augenblick, stützte die Hände aufs kühle Waschbecken und blickte in den Spiegel, der im unbarmherzigen Neonlicht mein Bild zurückwarf.
    Nicht gut.
    Sicherlich gab es Orte, an denen Neonröhren über den Spiegeln hängen mussten: in der Hölle zum Beispiel (oder in den Toiletten staatlicher Schulen – hey, da gab es einige Gemeinsamkeiten) und auch in unterirdischen Gängen der CIA , aber ganz bestimmt nicht an Stellen, wo man Menschen zu einem besseren Selbstwertgefühl verhelfen wollte. Wie ich so dastand, fühlte sich mein Gehirn an wie Brei.
    So war es auch gewesen, als ich mich wegen der Albträume hatte übergeben müssen und Amy mich im Klo gefunden hatte. Wahrscheinlich war nun die Wirkung der Lebensmittelvergiftung einfach noch dazugekommen. Oh Mann. Ich wusste praktisch nichts mehr von dem Moment, als Derek mich abholte bis zu dem Zeitpunkt, als ich neben Max’ Wagen das Mittagessen wieder von mir gab. Alles war … wie verschleiert. Selbst der Wortwechsel mit Max – hatte er während der Fahrt mit Cat telefoniert? Wie unvorsichtig. Selbst das wirkte in meiner Erinnerung, als hätte jemand auf einem frisch gemalten Bild herumgewischt. Als hätte ich mir beim Kotzen das Hirn so verausgabt, dass nicht viel übrig geblieben war.
    Ich sollte vielleicht besser einfach heimgehen und schlafen.
    Aber die Party … Alle würden da sein. Wäre echt bescheuert, meine eigene Geburtstagsfeier zu verpassen.
    Das bisschen Spaß hatte ich verdient. Ein paar Stunden blieben mir ja noch, um mich zu erholen. Was hatte die Schwester beim letzten Mal empfohlen? Salzige Cracker und Ingwerlimonade? Das würde ich hinkriegen. Rehydrieren, entspannen und dann hübsch machen für die Party. Irgendwo zwischen meinem Gehirn und meinem Mund wuselte ein Satz herum. » Schlafen kann ich auch noch, wenn ich tot bin. « Aber so wie mein Kopf schmerzte, konnte das durchaus schon morgen sein. Mir kamen Pietrs Worte wieder in den Sinn, während ich mich im Spiegel betrachtete. » Lebe wild und gefährlich « , riet ich meinem Spiegelbild.
    Gegen Ende der Therapiestunde war ich wieder klar im Kopf, meine Stimmung war besser und mein Magen hatte sich beruhigt. Alles war besser.
    Auf dem Weg hinaus zum Parkplatz stutzte ich und versuchte, mich zu erinnern, worüber genau

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