Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
Siehst du? « Er zuckte wehmütig mit den Schultern, machtlos im Kampf gegen seine eigene animalische Anziehungskraft. Noch ein mir unbekanntes Mädchen kam hereingetanzt, griff nach seiner Hand und führte ihn mit einem solchen Schwung in den Hüften hinaus, dass ich mich fragte, warum sie sich dabei keinen Wirbel ausrenkte. Max sah über seine Schulter zurück zu uns. Na ja, zu Amy.
Draußen schlug die Haustür zu und Max blickte dem Krach hinterher, wobei sich seine Mundwinkel befriedigt aufwärts bogen.
Marvin war fort.
» Los jetzt! « rief Stella.
Er warf noch einen Blick zurück und wieder blieben seine Augen an Amy hängen.
» Verschwinde, du räudiger Köter « , neckte ich ihn.
Er zog die Tür hinter sich zu und es wurde fast still im Raum.
Amy ließ sich schlaff in den Sessel fallen. » Was für ein Aufreißer « , stieß sie abschätzig aus. Aber da klang noch etwas anderes mit. Eine Wehmut, ganz ähnlich wie bei Max.
» Oh ja « , pflichtete ich bei. » Nun? «
» Marvin ist nicht immer so « , begann Amy.
» Nicht immer? «
» Ich wusste, dass du das nicht verstehen würdest. «
» Was gibt’s da zu verstehen? Er hat dir wehgetan , Amy. Er war gemein. Schön, dass er nicht immer so ist, aber … « Ich kniff die Augen zusammen » Das war doch nicht das erste Mal, oder? «
Draußen wurde die Musik laut und das Haus erbebte unter dem begeisterten Geheul der Gäste.
» Wollen wir drauf wetten, wer gerade den Hintern schwenkt? « , fragte Amy und schnippte ein Stäubchen mit dem Finger weg.
» Zieh deine Bluse aus. «
» Wie bitte? « Sie blickte mich entgeistert an.
» Du hast richtig gehört. Zieh sie aus. «
Ihre Wangen liefen knallrot an.
» Ich kenne dich, Amy. Vor ein paar Monaten hättest du sie dir bei jeder Wette oder Mutprobe ohne Bedenken vom Leib gerissen und dich in Pose geworfen. Und was ist jetzt? «
» Nichts. «
» Wenn es um dich geht, dann ist es nicht nichts. Zieh die Bluse aus. Beweise mir, dass ich mich irre. «
Schweigend stand sie auf. Und mit einem Mal liefen ihr die Tränen in Strömen übers Gesicht.
» Amy … «
Sie hakte den Verschluss ihrer roten Capes auf und ließ ihn zu Boden fallen. Sie kehrte mir den Rücken zu und zog sich die Bluse über den Kopf. Das lange rostrote Haar fiel ihr auf die Schultern, als sie sich wieder aufrichtete.
» Du liebe Scheiße. «
Die zarte Haut um die schmalen Träger ihres Spitzen- BH s war übersät mit mehr als einem Dutzend von Blutergüssen – alle in der Größe von Marvins Handballen oder Faust und in den verschiedensten Schattierungen von Braun, Violett, Grün und Gelb. Ein ganzer Regenbogen der Raserei verunstaltete ihren hübschen Rücken mit einer Palette der Grausamkeiten.
Ich war so perplex, dass ich gar nicht mitbekam, wie die Tür aufging.
» So ein Scheißkerl «
» Max! « , rief ich und Amy griff hastig nach ihrer Bluse.
Aber er war schon wieder fort.
» Ich muss ihn … « Aufhalten. Mist, Mist, Mist!
» Geh. Los … « Amy zwängte sich wieder in ihre Bluse.
» Du bleibst hier … « , befahl ich und sauste zur Tür hinaus. Der Name, der alle meine Gedanken bestimmte, kam mir zuerst über die Lippen. » Pietr! Pietr! « , schrie ich gegen die Musik an, die Hände ins Treppengeländer gekrallt.
Er sprang vom oberen Treppenabsatz herunter, bekam im letzten Moment das Geländer zu fassen und kam vor mir in der Hocke zum Stehen. Seine Augen glühten im Halbdunkel der Partybeleuchtung. Seine Nasenflügel bebten, als er die Luft prüfte. » Alles in Ordnung? «
Ich nickte, kam wieder zu Atem und haspelte heraus: » Dein Bruder wird Marvin umbringen, wenn … «
Er kniff die Augen kurz zu. Nickte. » Ich halte ihn auf « , versprach er und war so schnell zur Tür hinaus, dass die Spitzengardinen hinter ihm herschwangen.
» Großer Gott, hoffentlich « , flüsterte ich und ging wieder ins Wohnzimmer zurück.
Es war leer.
Verdammt.
29
N irgends auf der Party fand ich auch nur eine Spur von Amy. Dann überlegte ich, wo mein Handy wohl steckte und suchte ihren Namen heraus. » Nimm-ab-nimm-ab-nimm-ab « , flehte ich ungeduldig auf der rückwärtigen Veranda der Rusakovas und fragte mich, ob sich Marvin wohl um Kopf und Kragen gebracht hatte, ob Max wohl in den Knast kommen würde und warum Pietr meine Nähe nicht ertragen konnte. Jep. Ganz normale Gedanken also.
» Was denn? «
» Amy! Wo bist du? «
» Im Taxi. «
» Ich muss mit dir reden. «
» Ich brauche erst einmal Zeit zum
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