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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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weg. »Okay, ich glaube, das war’s für heute. Wir teilen Ihnen Zeit und Ort unserer nächsten Pressekonferenz mit.«
    Während die Journalisten aufstanden, übertönte eine Frau das Stimmengemurmel. Es war eine Reporterin von der Post , und sie rief: »Versprechen Sie uns, dass Sie den Rattenfänger wieder mitbringen!«
     
    Das Gebäude Park Avenue Nummer 841 war ein solider, viereckiger Klotz, ein dreizehnstöckiges Haus aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die zwei Sockelgeschosse waren mit feinem weißem Granit verkleidet und die Lobby geschmackvoll mit Marmor und Chintz ausgestattet. Will war schon einmal hier gewesen, als er David Swishers letzte Schritte von der Lobby zum Tatort an der 82 nd Street zurückverfolgt hatte, wo er verblutet war. Er war den Weg auch einmal bei Dunkelheit abgelaufen, vor Anbruch der Dämmerung, hatte sich an der Stelle hingekauert, die immer noch verfärbt war, obwohl sie von der Stadtreinigung abgeschrubbt worden war, und hatte sich vorzustellen versucht, was das Opfer in seinem letzten Moment bewusster Wahrnehmung gesehen hatte. Ein Stück schmutzigen Gehwegs? Ein schwarzes, eisernes Fenstergitter? Die Felge eines geparkten Autos? Eine dünne Eiche, die aus einem Geviert festgetretener Erde aufragte?
    Hoffentlich den Baum.
    Wie zu erwarten war, gerieten Helen Swisher und Will aneinander. Sie hatte es in den letzten Wochen übertrieben, als sie nur schwer zu erreichen war, nicht ans Telefon ging, Terminprobleme vorschützte oder verreist war. »Sie ist die Frau eines Opfers, verdammt nochmal«, hatte er genervt zu Nancy gesagt, »keine Verdächtige! Sie soll ein bisschen Kooperationsbereitschaft zeigen, verflucht, oder gibt’s dagegen was einzuwenden?« Dann, als er von Sue Sanchez gerade wegen seines Auftritts bei der Pressekonferenz abgekanzelt wurde, rief Madame ihn über sein Handy an und teilte ihm mit, dass er pünktlich sein müsse, da ihre Zeit begrenzt sei. Und der Gipfel war, dass sie sie im Apartment 9B mit so hochmütig herablassender Miene empfing, als wären sie Teppichreiniger, die einen der handgeknüpften Perser abholen wollten.
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen noch sagen soll, nachdem ich der Polizei schon alles erklärt habe«, sagte sie, als sie Nancy und Will durch einen palladianischen Bogen ins Wohnzimmer führte, einen riesigen Raum mit Blick auf die Park Avenue. Will erstarrte angesichts der Einrichtung und des Mobiliars – all diese Eleganz, als wäre ein Lebensarbeitseinkommen in ein einziges Zimmer gesteckt worden, alte Möbel, vermutlich Erbstücke, wie von einem durchgedrehten Innenarchitekten platziert, Kronleuchter und Teppiche, jedes Stück so teuer wie ein gutes Auto.
    »Hübsche Wohnung«, sagte Will mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Danke«, erwiderte sie kühl. »David hat hier gern die Sonntagszeitung gelesen. Ich habe das Apartment gerade zum Verkauf ausgeschrieben.«
    Sie setzte sich und spielte sofort mit ihrem Uhrenarmband herum, ein Hinweis darauf, dass ihre Zeit knapp bemessen war. Will schätzte sie kurz ein, erstellte ein Miniprofil. Sie war attraktiv, wenn auch ein bisschen herb, und ihr Äußeres wurde durch die perfekte Frisur und ein Designerkostüm unterstrichen. Swisher war Jude, sie nicht, wahrscheinlich stammte sie aus einer reichen, alteingesessenen Familie – ein Banker und eine Anwältin, die sich vermutlich nicht bei einem gesellschaftlichen Anlass kennengelernt hatten, sondern bei einem Geschäftstermin. Diese Braut war kein kalter Fisch, sie war der reinste Eisblock. Dass sie keine offenkundige Trauer zeigte, hieß nicht, dass sie nicht an ihrem Mann gehangen hatte – vermutlich hatte sie ihn gemocht –, es spiegelte lediglich ihre unterkühlte Art wider. Falls er jemals jemanden verklagen musste, jemanden, den er wirklich hasste, dann würde er diese Frau als Anwältin wollen.
    Sie nahm ausschließlich mit Will Blickkontakt auf. Nancy hätte genauso gut unsichtbar sein können. Untergebene, wie zum Beispiel die Soziusse in Helen Swishers nobler Kanzlei, waren für sie Gebrauchsgegenstände, Hintergrundstaffage. Erst als Nancy ihr Notizbuch aufschlug, nahm Helen ihre Anwesenheit mit einem missbilligenden Blick zur Kenntnis.
    Will hielt es für sinnlos, Mitgefühl zu heucheln. Er wollte ihr nichts andrehen, und sie wollte nichts kaufen. Daher kam er sofort zur Sache und fragte: »Kennen Sie einen Latino, der ein blaues Auto fährt?«
    »Gute Güte!«, erwiderte sie. »Beschränken sich Ihre Ermittlungen etwa

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