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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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einem Ablehnungsschreiben. So ging das neun, zehn, elf Mal – aber das zwölfte kam nicht zurück. Stattdessen erhielt sie einen Anruf von Elevation Press in New York. Man bekundete Interesse und fragte unverbindlich, ob sie das Buch mit ein paar Überarbeitungen noch einmal vorlegen könnte. Und am Vortag hatte sie eine E-Mail von der Lektorin bekommen, die sie in den Verlag einlud. Das war ein vielversprechendes Zeichen, aber Laura war trotzdem ein Nervenbündel.
    Nancy fand Laura faszinierend. Sie führte ein so anderes Leben. Die Lipinskis waren keine Schriftsteller oder Künstler, sie waren Ladenbesitzer, Buchhalter, Zahnärzte oder FBI-Agenten. Nancy fragte sich, wie Will ein derart unverdorbenes und reizvolles Wesen hatte zeugen können. Vermutlich war die Mutter die Erklärung.
    Tatsächlich schrieb Lauras Mutter Melanie – Wills erste Frau – Gedichte und unterrichtete an einem städtischen College in Florida kreatives Schreiben. Die Ehe, so erzählte Laura, hatte gerade mal von ihrer Zeugung bis zu ihrem zweiten Geburtstag gehalten, dann hatte Will alles ruiniert. In Lauras Kindheit und Jugend waren die Worte »dein Vater« immer wie ein Schimpfwort ausgestoßen worden.
    Er war für sie so wenig greifbar wie ein Geist. Nur aus zweiter Hand erfuhr sie etwas über ihn, wenn sie zufällig ein paar Gesprächsfetzen der Mutter oder einer Tante aufschnappte. Ihre Vorstellung von ihm stammte aus dem Hochzeitsalbum – blaue Augen, groß und lächelnd, niemals alternd. Er verließ die Polizeidienststelle, ging zum FBI, heiratete wieder, wurde erneut geschieden. Er war ein Säufer. Ein Weiberheld. Ein Mistkerl, dessen einziger Vorzug darin bestand, dass er den Unterhalt für sein Kind bezahlte. Und er hatte nicht ein einziges Mal angerufen oder eine Karte geschrieben.
    Eines Tages, Laura war gerade fünfzehn Jahre alt, sah sie ihn in den Nachrichten, als er zu einem Serienmörder interviewt wurde. Sie las den Namen Will Piper auf dem Bildschirm, erkannte die blauen Augen und die kantige Kinnlade und brach in hemmungsloses Schluchzen aus. Sie fing an, Kurzgeschichten über Will zu schreiben, so wie sie ihn sich jedenfalls vorstellte. Und als sie auf dem College war und sich von ihrer Mutter abgenabelt hatte, spielte sie ein bisschen Detektiv. Sie fand heraus, dass er in New York City lebte. Seitdem hatten sie eine Art Beziehung aufgebaut, ein gewisses Vater-Tochter-Verhältnis, wenn auch zaghaft und zurückhaltend. Er hatte sie zu ihrem Roman inspiriert.
    Nancy fragte nach dem Titel.
    »Die Abrissbirne«, erwiderte Laura.
    Nancy lachte. »Das passt, glaube ich.«
    »Er ist eine Abrissbirne, aber Alkohol, die Gene und das Schicksal sind genauso zerstörerisch. Ich meine, Dads Vater und seine Mutter waren Alkoholiker. Vielleicht konnte er dieser Sucht gar nicht entkommen.« Sie goss sich ein weiteres Glas Wein ein und prostete Nancy zu. Mittlerweile war ihre Zunge ein bisschen schwerer geworden. »Und ich vielleicht auch nicht.«
     
    Nelson Elder hatte gerade die Auffahrt zu seinem Haus erreicht, einer Villa mit sechs Schlafzimmern in The Hills in Summerlin, als sein Handy klingelte. Die Anruferkennung zeigte »Nummer unterdrückt« an. Er meldete sich und bog mit dem großen Mercedes auf einen der Garagenstellplätze.
    »Mister Elder?«
    »Ja, wer ist da?«
    Der Anrufer klang angespannt, beinahe gehetzt. »Wir sind uns vor ein paar Monaten im Constellation begegnet. Mein Name ist Peter Benedict.«
    »Tut mir leid, ich kann mich nicht erinnern.«
    »Ich habe die Mitzähler beim Black Jack erwischt.«
    »Ja! Jetzt erinnere ich mich! Der Computermann.« Seltsam, dachte Elder. »Habe ich Ihnen meine Handynummer gegeben?«
    »Ja«, log Mark. Es gab keine Telefonnummer auf der Welt, die er sich nicht beschaffen konnte. »Ist es in Ordnung, dass ich anrufe?«
    »Klar. Womit kann ich Ihnen helfen?«
    »Tja, Sir, eigentlich würde ich Ihnen gern helfen.«
    »Wie das?«
    »Ihre Firma steckt in Schwierigkeiten, Mr. Elder, aber ich kann sie retten.«
     
    Mark atmete schnell. Er zitterte. Sein Handy lag auf dem Küchentisch, noch warm von seiner Wange. Schon jeder vorangegangene Schritt seines Plans hatte ihn belastet, aber jetzt musste er zum ersten Mal persönlich in Erscheinung treten, und seine Angst drohte übermächtig zu werden. Nelson Elder wollte sich mit ihm treffen. Ein Zug noch, dann hatte er das Spiel gewonnen.
    In dem Moment ließ ihn die Türklingel hochfahren. Er bekam nur selten unangemeldeten Besuch, und vor

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