Die namenlose Schoene
zurecht? Es schmerzte Emma, sich das Zimmer ihrer Schwester anzusehen. Sie ging ins Kinderzimmer. Falls die Behörden entschieden, dass die Zwillinge bei Hannah blieben …
Emma betrachtete das Spielzeug, die Plüschtiere und alles andere, was Kinder so brauchten.
„Emma.” Tucker stand hinter ihr. „Was ist denn?”
„Wenn ich sie verliere? Wenn jemand entscheidet, dass ich mich nicht zur Mutter eigne! Was dann?”
Tucker legte die starken Arme um sie und drückte sie an sich.
„Ich kann Ihnen nicht sagen, dass Sie sich keine Sorgen zu ma chen brauchen, aber meiner Meinung nach ist niemand besser geeignet als Sie, um die Kinder großzuziehen.”
„Aber ich habe keine Familie, die für mich eintreten könnte. Nur Cal hat mich mit Josie und den Kindern gesehen.” Ihre Stimme bebte.
„Gehen wir es Schritt für Schritt an”, schlug er vor. „Ich trete für Sie ein, auch Gertie und sogar Hannah. Sie hängt an den Zwillingen, weiß aber, dass es nicht ihre Kinder sind. Und wir alle haben Sie mit den Zwillingen in der Tagesstätte gesehen.”
„Und wenn sich nun der Vater meldet?” wandte Emma ein.
„Glauben Sie, er stammt aus Storkville?”
„Ich habe keine Ahnung. Seit sie die Kinder bekam, habe ich Josie mit keinem Mann gesehen. Was sie davor getan hat, weiß ich nicht.
Bevor sie mir mitteilte, sie wäre schwanger, wirkte sie sehr glücklich.
Damals arbeitete sie auf dem Besitz der McCormacks.”
„Dort hat sie offenbar die Rassel mitgenommen, die ich bei den Kindern fand.”
„Josie würde niemals stehlen”, behauptete Emma.
„Sind Sie ganz sicher?”
„Das ist ein Erbstück, Tucker. Es bedeutet bestimmt ihr oder dem Vater der Kinder etwas.”
Er schüttelte den Kopf. „Quentin McCormack ist nicht der Vater. Das hat der DNA-Test bewiesen. Der Butler soll bald auf den Besitz zurückkehren. Dann spreche ich mit ihm. Hoffentlich erinnert er sich an Josie und daran, ob jemand bei ihr war. Im Moment sollten Sie sich wegen des Vaters keine Gedanken machen. Jeder in Storkville weiß über diese Kinder Bescheid, aber niemand hat sich gemeldet.”
Wenn sie mit Tucker zusammen war, wirkte alles gleich einfacher. Das war seltsam, weil sie stets nur auf sich selbst gestellt gewesen war.
Niemals hatte sie sich auf jemanden verlassen, und jetzt tat sie das auch nur zögernd.
„Es wird gut werden, Emma”, versicherte er und legte ihr die Hände an die Wangen.
Sie sehnte sich danach, dass er ihr das bewies. Offenbar zeigte sich das in ihren Augen. Tucker zögerte nur einen Moment, ehe er sie küsste. Der wundervolle K uss vertrieb zwar die Sorgen nicht. Dass Tucker sie jedoch küsste und sie begehrte, ließ alles harmloser erscheinen.
So gut sie das bei ihrer beschränkten Erfahrung vermochte, erwiderte sie den Kuss und ließ die Zungenspitze über seine Lippen gleiten. Er stöhnte und drückte sie fester an sich. Die Spannung, die seit dem ersten Zusammentreffen zwischen ihnen knisterte, drohte zu explodieren, doch Tucker löschte erneut die züngelnden Flammen.
Er löste sich von Emma, die so heftig atmete wie er. „Wir sollten nicht alles noch komplizierter machen.”
Vermutlich hatte er Recht, und doch waren ihre Gefühle für Tucker das Einzige, das nicht kompliziert war. Sie wuchsen stetig an.
„Komm”, sagte er knapp. „Ich möchte mir Josies Zimmer ansehen, wenn du einverstanden bist. Vielleicht finde ich einen Hinweis. Danach möchte ich die Informationen über sie in den Computer eingeben. Hätten wir doch bloß schon den neuen Scanner, den ich angefordert habe.”
„Ich habe einen Scanner. Ich kann die Fotos an deine E-Mail-Adresse schicken.”
„Ich hatte ganz vergessen, dass du Computerspezialistin bist”, meinte er lächelnd.
„Keine Spezialistin. Ich kann nur gut damit umgehen.”
„Swenson sagte, dass du von zu Hause aus arbeitest.”
„Ich entwerfe Websites. Bevor wir losfahren, muss ich den Anrufbeantworter abhören.” Sie reichte Tucker die Geburtsurkunden.
Er steckte sie in die Hemdtasche. „Wir bringen alles in Ordnung, Emma. Es wird nur eine Weile dauern.”
Sie hatte zwei Monate ihres Lebens verloren. In dieser Zeit hatte sie Tucker und Tante Gertie und alle anderen in Storkville gefunden, die so gut zu ihr gewesen waren. Das Leben hielt schon seltsame Überraschungen bereit. Sie hoffte nur, bald Freude anstelle von Traurigkeit zu finden.
Emma zuckte heftig zusammen, als es am nächsten Vormittag um zehn Uhr an Tuckers Haustür schellte. Sie
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