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Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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schwankte.
    »Glaube ja nicht«, ächzte sie, »daß ich dir gern geholfen habe.«
    Der Stein, mit dem sie zugeschlagen hatte, entglitt ihrer Hand und polterte zu Boden. Gerta hatte sichtlich Mühe, sich noch auf den Beinen zu halten.
    »Warum haßt du mich?« fragte Gerrek.
    Die Frau öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ein Dreizack bohrte sich zwischen ihre Schulterblätter, und sie sackte in sich zusammen.
    Gerrek handelte ohne zu überlegen.
    Was er tat, wurde ihm erst bewußt, als er schwer atmend verharrte. Das Kurzschwert war seiner Hand entglitten.
    »Was - ist geschehen?« keuchte der Beuteldrache. Er hörte noch immer den Kampflärm, konnte aber kaum etwas sehen. Vor seinen Augen wogten blutige Schleier.
    »Du hast um dich geschlagen, wie es eine Amazone nicht besser könnte«, sagte Sosona. »Sechs Tritonen fielen unter deiner Klinge.«
    »Ich fange an, mich wieder zu erinnern«, murmelte er zögernd. »Gerta hat mir das Leben gerettet. Ich stehe in ihrer Schuld.«
    »Sie tat es bestimmt nicht wegen dir; sie wollte nur nicht unter Qualen sterben, denn der Pfeil, der sie traf, war vergiftet. Sieh dich vor, die Okeazar scheinen ihren Schreck überwunden zu haben.«
    Gerrek fuhr herum, schlug einen Angreifer mit den Fäusten nieder, fing ihn blitzschnell auf und schleuderte ihn den Nachdrängenden entgegen. Vorübergehend behinderten sie sich gegenseitig. Das genügte dem Mandaler, um seine Flöte an die Lippen zu setzen. Die Töne, die er ihr entlockte, waren schrill und unmelodisch, aber ihr Klang ließ manchen Tritonen innehalten.
    »Spiele!« rief Scida, die soeben einen erbitterten Zweikampf siegreich beendete. Und Gerrek blies aus vollen Backen. Immer mehr Okeazar ließen die Waffen sinken und wandten sich ihm zu. Das Klirren der Schwerter verstummte.
    Scida und Kalisse richteten Gertas Leichnam auf und lehnten ihn mit dem Rücken an die Wand.
    »Wir müssen sie hier zurücklassen«, sagte die alte Amazone.
    Gorma zog einen der benommen dastehenden Okeazar an sich und fragte ihn:
    »Führt die Straße zum Mittelpunkt von Ptaath, zur Tempelkuppel?«
    Der Fischmensch stieß ein heiseres Krächzen aus. Er schien nicht zu verstehen, was sie von ihm wollte.
    »Spricht einer von euch unsere Sprache?«
    Ein besonders groß gewachsener Tritone mit nur einem Horn auf der Stirn schob sich auf die Amazone zu.
    »Wo endete diese Straße?« fuhr Gorma ihn an.
    Gerreks Flötenspiel war leiser geworden, verfehlte deshalb aber seine Wirkung nicht.
    »Etwa zweihundert Körperlängen vor den äußeren Bauten des Tempels«, sagte der Okeazar in schwer verständlichem Vanga. »Dort hat ein Felsrutsch den Weg unterbrochen; eine tiefe Kluft erstreckt sich quer durch Ptaath, sie führt vom südlichen Westen gen Nordost.«
    »Gibt es eine Möglichkeit für jemanden, der keine Kiemen besitzt, den Tempel trockenen Fußes zu erreichen?«
    Der Fischmensch vollführte eine Geste, die Zustimmung ausdrückte.
    »Ein schwimmender Pferch ist geeignet, Menschen unter Wasser zu tragen.« Stockend, weil er die passenden Begriffe nicht kannte, erklärte er, wie die Luftblasen, von denen keine wie die andere war, aussahen.
    »Kannst du eine solche herbeischaffen, die uns dann zum Tempel bringt?«
    »Es ist nicht schwer.«
    »Weißt du, was geschieht, sobald er den Klang der Flöte nicht mehr hört?« warf Kalisse ein. »Wahrscheinlich wird er uns verraten.«
    Sosona schüttelte den Kopf.
    »Ich habe mich inzwischen weit genug erholt, um den Okeazar mit einem Bann zu belegen, der geraume Zeit anhält. Es wird ihm nicht möglich sein, irgend etwas über uns preiszugeben.«

3.
    »Isch kann nischt mehr«, nuschelte Gerrek und nahm mit eckig wirkender Bewegung das Instrument von seinen Lippen. »Mein Mund schmerzt, die Arme schind schteif.«
    Sie waren am Ende der durch den Felsen gegrabenen Straße angelangt. Unverkennbar, daß hier die Gewalten einer entfesselten Natur getobt hatten. An mehreren Stellen war die Röhre zusammengedrückt, und nur ein schmaler Durchlaß blieb frei. Überall türmte sich Geröll; der Weg führt nun auf eine kurze Strecke steil abwärts. Es fiel schwer, ihn zu gehen, denn die Steine waren glitschig und von Feuchtigkeit überzogen.
    Fünfzehn Tritonen waren den Amazonen bis hierher gefolgt, vom Spiel des Beuteldrachen ihrer Wildheit beraubt. Nun schickte Sosona sich an, ihnen die noch im Bann lockender Klänge gefangen waren, einen langen Schlaf zu senden. Da die Okeazar sich nicht sträubten, fiel es der

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