Die Namenlose
auf den Sims zurück.
»Was tut er?« fragte Burra verwundert.
Die bislang nur durch die Bewegungen des Krebses aufgewühlte Wasseroberfläche begann Wellen zu schlagen. Ein dumpfes Gurgeln wurde hörbar, das aus der Tiefe zu kommen schien.
»Das Becken leert sich«, rief Gudun begeistert aus. »Seht!«
Ein seltsames Ding, halb Tier, halb Pflanze wurde sichtbar, das dort unterhalb des Vorsprungs auf der Wand klebte, wo Learges sich befand. Es war in ständiger Bewegung begriffen, dehnte seinen runden, eine Mannslänge durchmessenden Körper aus und zog sich sofort wieder zusammen.
Dieses Wesen hängt nicht an der Wand, schoß es Mythor nach näherem Betrachten durch den Sinn, es ersetzt die Mauer. Und allem Anschein nach saugt es das Wasser in sich auf, um es auf der anderen Seite wieder auszuspeien. Nur einer Reizung mit der Eisenstange bedurfte es, um diesen Vorgang einzuleiten.
Hüben und drüben wurden Stufen sichtbar, die auf den Grund des Beckens führten.
»Kommt!« rief Burra und sprang hinab, als der Boden noch kniehoch bedeckt war. Ihre Klingen bohrten sich in die Seite des Krebses, glitten aber schon nach wenigen Fingerbreit an dessen harter Panzerung ab.
Augenblicklich ruckte das Tier herum. Seine zuschnappenden Scheren verursachten ein gräßliches Geräusch.
Burra warf sich zur Seite, federte durch und kam unmittelbar neben dem Rumpf des Tieres zum Stehen. Dessen Aufmerksamkeit wurde von Gudun und Mythor abgelenkt, die schreiend heranstürmten. Horn splitterte, als Dämon gegen das oberste Gelenk eines Beines schmetterte. Burra schwang das Schwert nun beidhändig, nachdem sie die zweite Klinge in die Scheide zurückgeschoben hatte, und legte so alle Kraft in ihre Hiebe.
Der Krebs begann sich im Kreis zu drehen, suchte die Angreifer an den Wänden des Beckens zu zermalmen - aber es gelang ihm nicht, weil sie immer wieder flink auszuweichen verstanden. Der Verlust zweier weiterer Beine machte ihn nahezu hilflos. Hinzu kam, daß Mythors Anstrengungen endlich Erfolg zeigten und die eine Schere schlaff herabhing.
Ein Zittern durchlief den Riesenkrebs, als er endgültig stürzte. Dämon mußte seine Lebensader getroffen haben, denn Blut färbte das wenige Wasser, das im Becken verblieben war.
Schon nahm Burra das Rysha-Horn auf, winkte Learges, ihr und den anderen zu folgen und hastete die Treppe auf der gegenüberliegenden Seite empor. Zwei Gewölbe durchquerten sie, eilten über einen langen, von Fackeln erhellten Gang, bevor die Amazone erkannte, wo sie sich befanden. Weder Tritonen noch Okeara-lör stellten sich ihnen entgegen; wahrscheinlich waren alle mit den Eindringlingen aus dem Grundlosen Wassergraben beschäftigt.
»Dort vorne«, sagte Burra tonlos, »ist das Verlies, in dem die Namenlose Zaem und mich gefangenhielt.«
7.
Das Aussehen der Zaubermutter erschreckte die Kriegerinnen, selbst Mythor prallte zurück. Sie ähnelte einer Mumie - tiefe Falten hatten sich in ihre bleiche Haut eingegraben. Doch in ihren Augen brannte ein verzehrendes Feuer.
»Meine Mutter«, begann Burra und ging auf sie zu. Von unwiderstehlichen Kräften zurückgezerrt, fand sie sich sogleich auf dem nackten Steinboden wieder, krampfhaft das Rysha-Horn umklammernd.
»Bleibt, wo ihr seid«, rief Zaem leise und hob ihre Arme, die von bleichen, durchscheinenden Fäden umsponnen waren. Sie bildeten ein Netz, das Burra zu Fall gebracht hatte, ohne aber an ihr haften zu bleiben. Im Umkreis von zwei Schritten um die Zaubermutter bedeckte es den Boden.
Die Farben Zaems, der Regenbogen, den sie auf ihrem Umhang trug, erstrahlten längst nicht mehr in reinem Glanz. Matt waren sie geworden und düster.
»Bleibt!« wiederholte die Zaubermutter. »Niemand kann mich von den Fesseln befreien. Die Namenlose verstrickte mich in dieses magische Netz, das eine Flucht unmöglich macht.«
»Wer ist sie wirklich?« fragte Mythor, ohne den vernichtenden Blick zu beachten, den Burra ihm zuwarf.
Zaem sprach mit seltsamer Betonung, und ihre Kriegerinnen begriffen nicht, weshalb sie überhaupt einem Mann antwortete: »Ich habe geahnt, daß du kommen würdest, denn sicher gibt es viele Gründe, die dich an diesen Ort führten.
Einst lag hier das mächtige Reich Singara, das zum Teil in den Einflußbereich der Zahda reichte, zum anderen in das Gebiet einer zweiten Zaubermutter, deren Name heutzutage nicht mehr genannt wird, der sogar aus den Geheimen Gesängen verbannt wurde. Denn jene hat versucht, in Singara ihre Macht bis in
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