Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
gegenüber gemietet. – Er durfte ihr zusehen.«
Dornhelm nickte nur. Es schien ihn nicht zu überraschen, aber es bestürzte ihn. Er schien einen Ausbruch zu unterdrücken.
»Aha. Und dieser Bekannte hat … den … Mord beobachtet … und nichts unternommen?«
»Es war eher dessen … Gespielin, die das beobachtet hat, und auch nur den Beginn. Es hätte eine normale SM-Nummer mit Fesselung sein können.«
»Eine normale SM-Nummer, aha.«
»Es tut mir Leid, Herr Dornhelm.«
Maria wandte schnell den Blick ab. Das Ganze war ihr unsagbar peinlich. Und am liebsten wäre sie auch gegangen, denn sie spürte, trotz des Abstandes von einem halben Meter, die ungeheure Anspannung von Dornhelm. Nahezu beklemmend. Er räusperte sich ein paar Mal, als hätte er einen Frosch im Hals.
»Hat er … oder sie … auch uns beobachtet?«
»Ja.«
»Und?«
»Herr Dornhelm, wollen Sie das wirklich hören?«
»Nachdem ich ja nichts mehr weiß« – wieder dieses komische Lachen –, »geben Sie mir so meine letzte Erinnerung an Babe zurück.«
Maria sah Dornhelm lange in die Augen. Sie sah eine Bitte. Und der entsprach sie.
»Ja, es war … sehr liebevoll … eine liebevolle Versöhnung nach einem Streit. Danach sind Sie beieinander gelegen, ganz eng umschlungen.«
»Danke.«
Sie rauchten wieder. Und beobachteten beiläufig die anderen Theaterbesucher. Schorsch, der Zigarrenraucher, traf ein. Maria winkte ihm in der Hoffnung, er würde sich zu ihnen gesellen. Aber Schorsch entdeckte seinerseits Bekannte, die er sofort ansteuerte. Maria ließ locker ihren Blick weiterschweifen, als wäre nichts gewesen. Vielleicht half ihr doch der Zufall und irgendein Bekannter tauchte auf. Und befreite sie von der bedrückenden Zweisamkeit mit Dornhelm. Sie drehte sich sogar unauffällig um. In unmittelbarer Nähe stand eine Gruppe, darunter eine zierliche Frau mit langen blonden Haaren – zu einem Zopf gebunden. Maria hatte das Gefühl, als würde sie aufwachen. Warum nur hatte sie sich so auf einen männlichen Täter versteift?! Hatte die Wrenk nicht von einer anderen Frau gesprochen, mit der die Stein einmal eine Beziehung gehabt hatte?
»Sagen Sie, Herr Dornhelm … Sie wissen doch, dass Ihre Verlobte auch mit Frauen zugange war?«
»Ja, das hat sie mir gesagt. Das macht auch keinen Unterschied. Orgasmus bleibt Orgasmus. Hingabe bleibt Hingabe. Intimität bleibt Intimität.«
Es klang bitter. Wachte Dornhelm jetzt auf, da er nicht mehr unter dem unmittelbaren Einfluss der Stein stand?
»Und?«
»Ja, einer der Befragten hat mir erzählt, dass es da einmal eine Beziehung gegeben haben soll. Zu einer Frau. Schon ein paar Jahre her. Wissen Sie etwas darüber?«
»Ja, natürlich. Die Beziehung hatte sie zu Maria. Das wissen aber nur Michael … Herr Berger … und ich. Maria hat alles daran gesetzt, es geheim zu halten. Ihre Eltern wären gestorben. Sie übrigens auch, denn sie hat an sich diese Neigung nie akzeptiert. Und es hat auch nicht lange gedauert. Höchstens zwei Monate. Doch die Details weiß ich leider nicht mehr, bei dem Informations-Overkill, den ich am Anfang unserer Beziehung hatte! Sie verstehen.«
Maria hatte Dornhelm nicht mehr wirklich zugehört. Konnte das sein? War die ganze Geschichte so einfach? Warum war sie die ganze Zeit so blind gewesen?! – Nein, nein, nein. – Nur keine voreiligen Schlüsse. Prüfen. Überprüfen. Abwägen. Beweise sammeln. Phillip musste her, hoffentlich erwischte sie ihn daheim und nicht bei Elsa.
Maria klopfte an der Garderobentüre von der Guthaus. Kurze Pause, dann kam ein dumpfes ›Herein‹. Maria öffnete die Tür. Ein eigenartiger, süßer Geruch schlug ihr entgegen. Die Guthaus war gerade damit beschäftigt, ihr Kleid von Fusseln zu befreien. Und so stand sie in einem langen Bademantel und ungeschminkt vor Maria. Sie wirkte klein und zerbrechlich.
»Frau Kouba! Nehmen Sie doch Platz … wenn Sie einen finden. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich mich inzwischen weiter herrichte?! Was gibt es Neues? Haben Ihnen die Tipps, die ich Ihnen gegeben habe, etwas genützt?«
»Diesen Markus haben wir noch nicht erreicht. Und Fredi hat ein Alibi.«
Die Guthaus nickte nur kurz und setzte sich dann an den Schminktisch. Maria befreite einen Hocker von einer Schachtel und setzte sich zur Guthaus. Diese öffnete ihren Schminkkoffer und begann, sich eine Grundierung aufzulegen. Maria beobachtete sie – ihre eigentliche Namensvetterin –, und musste
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