Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Trug … so natürlich ist das nicht. Ich würde nicht mitten in der Nacht zum Hund meines Nachbarn gehen … selbst wenn ich den Schlüssel hätte.«
»Ich kümmere mich um Adonis.«
»Frau Trug, das wissen wir.«
Phillip war der Unterhaltung schweigend gefolgt und wandte sich nun entnervt zum Fenster. Maria unternahm einen zweiten Anlauf.
»Frau Trug, warum sind Sie in Frau Steins Wohnung gegangen?«
Die alte Dame konzentrierte sich offensichtlich.
»Sie war oft nicht da. Manchmal die ganze Nacht nicht. Sie hatte immer so viel zu tun. Und da ich sowieso nicht schlafen kann – ich stehe meistens schon um vier Uhr auf –, habe ich ihr angeboten, mich um Adonis zu kümmern. Sehen Sie, Frau Stein hatte oft überraschende Termine, und sie kam dann manchmal die ganze Nacht nicht nach Hause.«
Erschöpft schloss sie wieder die Augen.
»Ist Ihnen das nicht seltsam vorgekommen? Ich meine … vor allem in letzter Zeit. Die Stein war immerhin verlobt!«
Phillip trat wieder zum Bett.
»Och, Sie wissen doch, wie junge Leute sind. Die Leidenschaft überkommt sie einfach.«
»Sie dachten also, die Stein ist bei ihrem Verlobten?«
Die alte Dame begann zu schluchzen. Sofort erhob sich die Krankenschwester von ihrem Stuhl und sah nach der Patientin.
»Ich möchte Sie bitten, die Befragung zu beenden. Die Patientin ist doch noch sehr geschwächt.«
»Wir stellen ihr nur noch ein paar ganz kurze Fragen. Aber wissen Sie, wir sind auf ihre Aussage angewiesen.«
Die Schwester sah Maria forschend an und dann nach dem Puls der alten Dame, die sich langsam wieder fing. Widerwillig machte sie das Bett wieder frei.
»Aber nur kurze. Und nur nicht aufregende.«
Maria und die Nonne wechselten kurz einen Blick. Die Schwester zuckte mit den Augenbrauen.
»Nun ja, zumindest befragen Sie sie nicht über sexuelle Dinge. Das kann in dem Alter einiges hervorrufen.«
»Was denn schon?«
»Mein lieber junger Mann … Sehnsüchte. – Sehnsüchte, und mit ihnen Wehmut, und damit Schmerzen. Im Herzen.«
Die Nonne setzte sich, als hätte sie über Apfelstrudel gesprochen. Phillip wandte sich wieder dem Fenster zu. Maria konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
»Frau Trug. Sie dachten also, Frau Stein wäre bei ihrem Verlobten?«
Ein strafender Blick der Nonne traf sie.
»Ich meine … nachdem dies nicht so war und Sie sich vielleicht an die Ereignisse des Abends erinnern: Haben Sie die Stunden davor irgendwelche seltsamen Geräusche gehört? Besucher gesehen? Oder irgendetwas anderes Außergewöhnliches bemerkt?«
Die alte Dame strengte sich an. Das sah man. Und mit der Anstrengung verschwand der Touch der Tatterhaftigkeit. Maria sah förmlich, wie das Gehirn zu funktionieren begann.
»Och, am späten Abend bekam sie Besuch von ihrem Verlobten. Sie haben gestritten, schon als sie ihm die Tür aufgemacht hat.«
Wie elektrisiert wechselten Maria und Phillip Blicke.
»Sind Sie ganz sicher, dass das am Abend des Mordes war?«
»Ja, natürlich, ich bin doch nicht verkalkt.«
»Verzeihen Sie, das wollten wir damit nicht sagen. Nur manchmal sind Menschen von solchen … Ereignissen so geschockt, dass sie Zeitabläufe durcheinander bringen. – Gut. Was war dann?«
»Dann habe ich ein paar Mal laute Stimmen gehört. Irgendwann danach Schreie. Aber die waren …«
Die Dame stockte und senkte schamhaft den Blick.
»… die waren eher sexueller Natur. Allerdings dürften sie sich nur kurz versöhnt haben, denn danach hat die Schreierei wieder begonnen und nicht aufgehört, bis Herr Dornhelm wieder ging. Ich wollte schon anläuten, doch dann habe ich mir gedacht, man darf sich bei den jungen Leuten nicht einmischen. Gerade am Anfang streitet man immer viel. Das war auch bei meinem Mann und mir so. Man muss sich erst aneinander gewöhnen.«
»Und wie lange war Herr Dornhelm bei Frau Stein?«
»Warten Sie … gekommen ist er bei der Werbung nach der ›Akte X‹, gegangen ist er, als sich der Hochner von den 3-Sat-Zusehern verabschiedet hat.«
Phillip notierte sich diese Fakten. Er war offensichtlich genauso beeindruckt wie Maria.
»Frau Trug, Sie haben ein außergewöhnliches Gedächtnis.«
»Nein, leider nicht mehr. Früher habe ich sogar überlegt, ob ich mich einmal bei ›Wetten dass …?‹ melden soll. Aber seit zwei Jahren lässt es nach.«
»Und trotzdem dachten Sie, Frau Stein ist bei ihrem Verlobten?«
»Ja, denn einige Zeit später … warten Sie, es war nach diesem grauslichen Nachtfilm, wo die drei
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