Die Nanny und der Traummann
sie noch hatte. Und außerdem war der Anruf eine willkommene Gelegenheit, das allabendliche Glas Wein mit Coop zu umgehen. Was nach dem Gespräch im Auto eine ziemlich sinnvolle Vorsichtsmaßnahme zu sein schien.
„Es ist meine Schwester, ich muss drangehen“, flüsterte sie Coop zu, der gerade leise die Kinderzimmertür hinter sich schloss. Dann schlüpfte sie in ihr Zimmer und tat so, als habe sie den enttäuschten Gesichtsausdruck nicht bemerkt, der kurz über seine Züge geglitten war.
„Rat mal, wer dran ist“, zwitscherte Joy, nachdem Sierra den Anruf angenommen hatte.
„Na, Schwesterchen?“ Sie setzte sich auf die Bettkante. „Wie lange ist es diesmal her? Drei Monate?“
Ihre Schwester stieß einen langen, leiderfüllten Seufzer aus. „Ich weiß, ich weiß. Ich sollte mich wirklich häufiger bei dir melden. Aber was ich dir zu erzählen habe, wird alles wiedergutmachen.“
„Ach ja?“ Sierra hatte da so ihre Zweifel.
„Ich komme zurück.“
„Du ziehst wieder nach New York?“
Für eine Sekunde wurde Sierra ganz leicht ums Herz. Doch dann antwortete Joy: „Gott, nein! Machst du Witze? Los Angeles ist viel zu toll, um jemals wegzuziehen. Ich wohne gerade bei einem Freund in Malibu. Ich sitze gerade am Strand vor seinem Haus mit Meerblick.“
Ein „Freund“, mit dem sie garantiert nicht nur das Haus, sondern auch das Bett teilte. Sierra konnte sich bestens vorstellen, wie ihre Schwester in einem von ihren bodenlangen Batikkleidern in der Sonne saß, die langen Beine untergeschlagen, die schwarzen Haare, die ihr fast bis zur Hüfte reichten, zu einem lockeren Zopf gebunden. Wahrscheinlich hielt sie ein Bier in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand. Joy war immer schon viel cooler gewesen als Sierra, und trotz ihrer Verletzlichkeit nach außen hin auch viel selbstbewusster.
„Aber warum hast du dann gesagt, dass du zurückkommst?“, fragte sie.
„Weil ich einen Flug gebucht habe, um dich zu besuchen.“
„Wann?“
„Ich komme schon nächsten Mittwoch. Mein Agent will, dass ich für die weibliche Hauptrolle in einem Indie-Film vorspreche. Er ist sich ziemlich sicher, dass ich die Rolle kriege. Das Casting ist gleich am Mittwoch, aber ich bleibe für eine Woche. Falls ich eine Zusage bekomme, möchte ich vor Ort sein.“
„Klingt vielversprechend“, erwiderte Sierra, obwohl sich Joys Agent ihres Wissens nach bisher noch bei jedem Casting sicher gewesen war, dass Joy die Rolle bekommen würde.
„Ich weiß ja, was du davon hältst“, sagte Joy.
„Ich hab doch gar nichts gesagt!“
„Man kann deine Zweifel durchs Telefon spüren. Aber diesmal ist alles anders. Mein neuer Agent hat wirklich gute Connections.“
„Du hast einen neuen Agenten?“
„Ja, den Alten musste ich vor etwa zwei Monaten aufgeben. Seine Frau hat uns zufällig in seinem Büro erwischt.“
„Du hattest eine Affäre mit deinem verheirateten Agenten?“ Wirklich überrascht war Sierra nicht.
„Irgendwie muss ich ja weiterkommen. Und er war ziemlich heiß. Außerdem bist du nicht gerade in der Position, um andere verurteilen zu können.“
Streng genommen war der Vater der Zwillinge zwar tatsächlich verheiratet gewesen, aber die Situation war eine ganz andere gewesen. „Er und seine Frau waren getrennt, und außerdem haben wir nur eine einzige Nacht miteinander verbracht.“
Als Sierra klar wurde, dass sie schwanger war, hatte er sich schon längst wieder mit seiner Frau versöhnt. Nicht, dass sie ihn hätte heiraten wollen. Er war ein netter Kerl, aber sie beide hatten gleich nach ihrem One-Night-Stand gewusst, dass aus ihnen nichts werden würde.
„Also kommst du für eine Woche“, wechselte Sierra das Thema.
„Genau. Und dass ich bei meiner Lieblingsschwester wohnen werde, versteht sich ja wohl von selbst.“
„Oh.“ Das würde schwierig werden.
„Was soll das heißen? Ich dachte, du freust dich, mich zu sehen.“
„Tue ich ja auch. Aber ich glaube nicht, dass du bei mir wohnen kannst.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich keine eigene Wohnung mehr habe. Ich wohne jetzt bei meinem neuen Arbeitgeber. Ich habe den Job als Krankenschwester aufgegeben und arbeite als Nanny.“
„Was? Es ist doch gerade mal … sechs Monate her, dass du die Zwillinge weggeben hast. Tut es da nicht weh, mit Kindern zusammenzuarbeiten?“
„Joy, warte mal kurz. Ich bin gleich wieder da.“ Sierra legte das Handy weg, ging auf Zehenspitzen zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Sie wollte
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