Die Nanny und der Traummann
sich diese Vorfälle häuften, glaubte Sierra langsam nicht mehr an einen Zufall.
Coops Gespür war irritierend und … faszinierend. Aber sie hätte ihm nie im Leben verraten, wie richtig er mit seiner Einschätzung lag. „Also kann man sagen, dass Ihr ganzes Netter-Typ-von-nebenan-Gehabe totaler Blödsinn war. Und dass Sie nur freundlich zu mir waren, weil Sie mir an die Wäsche wollen?“
„Nein, ich bin ein netter Typ. Und nur damit Sie’s wissen: Wenn ich Ihnen wirklich an die Wäsche wollte, hätte ich mein Ziel schon längst erreicht.“
Sierra machte große Augen. „Ach, wirklich?!“
„Sie sind nicht halb so tough, wie Sie denken. Wenn ich genau jetzt versuchen würde, Sie zu küssen, würden Sie mich nicht abweisen.“
Bei der bloßen Vorstellung, wie Coop sich über die Konsole beugte und seine Lippen auf ihre drückte, kribbelte Sierras Magen, und ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Doch sie straffte die Schultern und sagte: „Wenn Sie versuchen würden, mich zu küssen, könnten Sie Ihre Kronjuwelen danach als Ohrringe tragen. Weil ich sie Ihnen nämlich abreißen würde.“
Er legte den Kopf in den Nacken und lachte.
„Trauen Sie mir das etwa nicht zu?“
„Doch, doch, natürlich! Schließlich müssten Sie mir doch beweisen, wie tough Sie sind! Aber gleich danach würden Sie nachgeben und mir doch erlauben, Sie zu küssen.“
„Das Ausmaß Ihrer Arroganz ist wahrhaft beeindruckend.“
„Eine meiner charmantesten Eigenschaften“, behauptete er. Doch diesmal verriet sein Lächeln Sierra, dass er sie auf den Arm nahm.
Vielleicht war sein übermäßiges Selbstvertrauen nur ein Schutzmechanismus. Vielleicht versuchte er einfach nur, sie zu ärgern. Vielleicht versuchte er aber auch wirklich, sich an sie heranzumachen, war es aber so gewöhnt, dass ihm die Frauen scharenweise zu Füßen lagen, dass er Angst vor einer Abfuhr hatte.
Seltsamerweise machte ihn die Möglichkeit, dass unter dieser knallharten Schale möglicherweise ein verletzlicher Mann steckte, um einiges anziehender.
Oh Gott! Was war nur los mit ihr?
„Selbst wenn ich auf Sie stehen würde“, sagte sie, „was entgegen Ihrer Überzeugung nicht der Fall ist, könnte ich das Risiko nicht eingehen. Ich kann meinen Vater nicht in dieses Höllenloch zurückschicken, aus dem ich ihn gerade erst befreit habe. Aber ohne diesen Job ist das neue Heim einfach nicht bezahlbar. Also habe ich jeden Grund, nicht auf Sie zu stehen.“
Ehe Coop Zeit hatte, auf ihre Worte zu reagieren, fing Ivy auf dem Rücksitz an, sich zu regen.
„Oh, oh“, sagte er mit einem Blick nach hinten. „Wir sollten besser losfahren, ehe sie wach wird.“
Er knüllte die Sandwichtüte zusammen und ließ den Motor an. Zu Sierras großer Erleichterung unternahm er keinerlei Versuche, das Thema wieder aufzugreifen. Und sie hoffte von ganzem Herzen, dass das auch so bleiben würde. Für immer. Denn sie befürchtete, dass er recht hatte: Wenn er jemals versuchte, sie zu küssen, würde sie ihn möglicherweise nicht abweisen können.
6. KAPITEL
Sierra hörte nicht sonderlich oft von ihrer Schwester. Manchmal vergingen Monate, ohne dass Joy sich meldete. Wenn Sierra in diesen Phasen versuchte, Kontakt aufzunehmen, reagierte Joy nicht auf ihre Anrufe, und selbst Briefe kamen ungeöffnet zurück. Aber dann, ganz plötzlich, meldete Joy sich doch und entschuldigte sich mit der immergleichen Reihe durchschaubarer Ausreden: dass sie viel zu tun gehabt hatte, umgezogen oder ihr Telefon abgestellt worden war, weil sie die Rechnung nicht hatte bezahlen können.
Die Wahrheit lautete, dass Joy zerbrechlich und verletzlich war. Der Tod ihrer Mutter hatte etwas in ihr zerstört. Als dann auch noch ihr Vater erkrankt war, hatte es für sie nur noch eine Möglichkeit gegeben, den Schmerz erträglich zu machen: Tausende von Meilen weit zu flüchten und den Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren.
Selbst als Sierra von Ashs und Susans Tod erfahren hatte, war ihre Schwester nicht erreichbar gewesen. Deswegen wunderte sie sich auch so, als später an diesem Abend, nachdem sie zusammen mit Coop die Zwillinge zu Bett gebracht hatte, ihr Handy klingelte und Joys Nummer auf dem Display erschien.
Einen kurzen Augenblick lang war sie versucht, es ihrer Schwester mit gleicher Münze heimzuzahlen und einfach nicht abzunehmen. Doch wie immer siegte schon beim dritten Klingeln ihr schlechtes Gewissen. Joy war neben den Zwillingen und ihrem komatösen Vater die einzige Familie, die
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