Die Nanokriege - Die Sturmflut
herauskam.
»Wo sind die anderen Frauen?«, fragte Megan den Soldaten.
»In den Frauenquartieren bei den Küchen«, sagte der Soldat. »Der Laird hat gesagt, du sollst im Turm bleiben, Mistress. «
»Wir gehen jetzt dort hinunter«, erwiderte Megan. »Du darfst uns vorangehen.«
»Mistress, der Laird hat gesagt …«
»Wir gehen jetzt dort hinunter«, erwiderte Megan mit einem angedeuteten Lächeln. »Und du wirst uns den Weg zeigen. Wenn der Laird damit ein Problem hat, kann er es ja mit mir besprechen.«
»Ja, Mistress.« Der Soldat nickte und setzte sich in Bewegung.
Er führte sie in die entgegengesetzte Richtung von der großen Halle, was Megan dazu veranlasste, sich mit fragender Miene nach Baradur umzusehen. Der Leibwächter nickte bloß und deutete in die Halle hinunter.
Bis zu diesem Augenblick war ihr nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sich auf Messers Schneide bewegte. Im Harem hatte sie die Gefahren, denen sie ausgesetzt war, mehr oder weniger verstanden. Aber hier, in einer Burg einer Gruppe unbekannter und für sie auch nicht durchschaubarer Loyalitäten, musste sie sich die Frage stellen, wem sie vertrauen durfte. Das gleiche Problem würde sie auch noch haben, wenn sie in Norau eingetroffen war. Der Besitz eines Schlüssels verlieh dem Benutzer die Macht über große Mengen an Energie, etwas, was in dieser Welt nach dem Zusammenbruch praktisch jeder brauchen konnte. Sie hatte dem Soldaten automatisch befohlen voranzugehen, aber erst als sie in Bewegung waren, wurde ihr bewusst, dass sie ihn auch nicht hinter sich haben wollte. Sie musste sich fragen, wie viel von dieser automatisch einsetzenden Paranoia dem zuzuschreiben war, was sie in letzter Zeit erlebt hatte, und wie viel von ihrem Vater stammte. Und sich dann fragen, wie viel davon berechtigt war. Sie waren verblüffend freundlich aufgenommen worden, und die Burg schien ihr einigermaßen sicher, trotz aller Paranoia, die sie dem Laird unterstellte.
Andererseits war es leichter, dem jungen Mann zu folgen, als sich von ihm den Weg weisen zu lassen, wenn er hinter ihr ging.
Sie bogen in einen Seitenkorridor, aus dem eine enge Wendeltreppe in die Tiefe führte. Baradur griff sich eine Fackel, als sie in den schwarzen Schlund hinunterstiegen, so dass sie einigermaßen sehen konnte, wohin sie gingen. »Muffig« war wohl die beste Bezeichnung für den Treppenschacht, und sie wunderte sich über all den klebrigen Schleim an den Wänden.
»Darf ich etwas fragen?«, erkundigte sie sich, als sie zum zweiten Mal ausglitt und den jungen Mann vor ihr anrempelte.
»Ja, selbstverständlich, Mistress.«
»Ich bin auch früher schon in historischen Burgen gewesen, aber die waren nie so …«
»Verkommen?« Der Mann lachte. »Mistress, hinter diesen Wänden drängen sich fast hundert Leute zusammen. So viele Leute auf so engem Raum ist ungesund. Es gibt hier Leute, die sich Pilzinfektionen zugezogen haben. Und selbst wenn wir die Zeit hätten, könnten wir gegen all den Schimmel nichts unternehmen. Um diese Treppen hier sauber zu bekommen, würde man Bleichlauge brauchen. Weißt du , wie man Bleichlauge macht, Mistress?«
»Ja, zufälligerweise.« Megan schmunzelte. »Aber ich verstehe schon, ich weiß auch ein wenig über Arzneimittelchemie Bescheid. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich hier eigentlich weggehen sollte.«
»Mistress, wenn du helfen könntest, wäre das großartig«, sagte der Wachmann mit seltsam bedrückter Stimme. »Aber du musst so schnell wie möglich an einen vernünftigen Ort kommen. Dies hier ist nicht der Ort für ein Ratsmitglied. Du kannst viel mehr Gutes für uns tun, wenn du diesen Mistkerlen in Norau schilderst, wie es um uns steht. Die heben keinen Finger, um uns zu helfen. Wir kämpfen jetzt fast seit dem Zusammenbruch gegen Pauls Truppen, und die einzige Hilfe, die wir bekommen haben, kommt vom Finn, der diesen Mistkerlen vom Neuen Aufbruch gesagt hat, dass sie keine Energie einsetzen dürfen.«
Er drehte sich um, als sie unten an der Treppe angelangt waren und vor einem weitgehend leeren Lagerraum standen, und sah sie an.
»Ich weiß nicht, wann es so weit sein wird und der Finn entscheidet, dass wir nicht ›neutral‹ sind«, sagte der junge Mann und schüttelte den Kopf. »Aber eigentlich ist es mir egal. Wenn man wie ich mit ansehen musste, wie einige der besten Freunde gestorben sind, weil sie keinen ordentlichen
Arzt hatten, fällt es ziemlich schwer, sich Gedanken über das ›große Ganze‹ zu machen.
Weitere Kostenlose Bücher