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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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gab. Trotz des widerlich stinkenden Schlicks kam er jetzt tatsächlich schneller voran, so schnell, daß er die Schlammbrühe fast wie ein Bugwelle vor sich herschob. Und das war etwas, das im Müllbach seit Jahren nicht mehr gegeben hatte.
    Schließlich wurde er langsam, blieb stehen und streckte – schwitzend vor Anstrengung und panischer Angst – die Hand nach dem Sack aus. Er spürte, wie sich der Blick von Frau Ausrichter in seinen Stiernacken bohrte, stechend wie das Moskitopärchen, das jetzt fester saugte. Der Meuchelhäher kreischte und sah ihn vorwurfsvoll an.
    Was tu ich eigentlich hier draußen? fragte sich Ryffel. Plötzlich packte ihn, ausgelöst und befeuert durch Zorn und Wut, eine mächtige Neugier. Hoffentlich war dieses Ding die Quälerei wert! Wenn in diesem Sack nichts anderes steckte als Abfall, dann sollte sich diese Frau Ausrichter …
    Leise fluchend wehrte er den flatternden Vogel ab, lockerte das Zugband, öffnete den Sack und sah hinein.
    Ohne daß es jemand bemerkt hätte, schwirrte plötzlich ein winziges insektenähnliches Geschöpf heran, änderte beim Anblick der ungewöhnlichen Vorgänge das vorgegebene Flugprogramm, ließ sich auf der Schulter von Wachtmeister Ryffel nieder und linste unverwandt und facettenäugig nach unten.
    Genau in dem Augenblick, als Ryffel einen Schrei ausstieß.
    Lichtlose Augen starrten verloren aus einem leblosen Gesicht, das von Schrecken der Anämie und von der vergeblichen Hoffnung auf Befreiung aus dem Sack gezeichnet war. Wachtmeister Ryffel schrie vor Freude.
    Nie hätte er geglaubt, daß ihm das einmal widerführe; immer hatte er gedacht, die Chancen dafür stünden, oooch … hundert zu eins! Aber jetzt war es eingetreten: Er hatte eine Leiche im Sack. Eine unbefugt eingesackte Leiche – er sah auf den ersten Blick, daß es sich auf keinen Fall um die Arbeit eines ordentlichen AA-Mitglieds handelte. Ein AA-Mitglied hätte sich an die einschlägigen Verfahrensvorschriften gehalten, hätte am linken Ohrläppchen die erforderliche Bescheinigung hinterlassen und auf der Rückseite, auf der die Mitgliedsnummer aufgedruckt war, unterschrieben. Aber davon fehlte hier jede Spur.
    Das Herz des Wachtmeisters klopfte aufgeregt, als ihm wieder einfiel, was Frau Ausrichter geschrien hatte: »… habe gesehen, wer es getan hat! … weiß, wo er jetzt steckt …«
    Ryffel schnürte – worüber sich der Meuchelhäher gewaltig ärgerte – den Sack wieder zu, drehte sich um und warf ihn sich über die Schulter. Für den Linser, der auf dieser Schulter hockte, ging alles viel zu schnell: Es platschte, dann knackte es, und dann war das insektenähnliche Geschöpf zerquetscht. Ryffel, der von all dem nichts bemerkte, kämpfte sich durch die hüfthohe Spurrinne ans Ufer zurück, wälzte dabei unentwegt Probleme und Fragen wie Wer? und Warum? und hielt sich fuchtelnd den gefährlichen Schnabel vom Leib.
    Innerhalb weniger Sekunden hatte er fünfunddreißig verschiedene Motive konstruiert (er dachte da etwa an schmutzige Dreiecksverhältnisse, bei denen spärlich bekleidete Heldinnen eine prominente Rolle spielten; an Streitigkeiten in Rauschgifthändlerringen, an die Ausschaltung unerwünschter Konkurrenten durch beauftragte Gangster), mit denen er allerdings ausnahmslos weit daneben lag.
    Er hatte Freudentränen in den Augen, als er aus dem Wasser watete und vor Frau Ausrichter hintrat. »Bevor ich irgend etwas unternehme«, erklärte er förmlich, »möchte ich Ihnen erst noch eine ganz bestimmte Frage stellen.«
    »Na los, fragen Sie schon!«
    »Haben Sie – abgesehen davon, daß Sie beobachtet haben, was hier passiert ist – irgend etwas mit der Sache zu tun?«
    »Das ist doch eine …!« brüllte sie. »Dafür sollte ich dich eigentlich übers Knie legen und …«
    »Schon gut, Mama. Tut mir leid, aber ich mußte das fragen. Immerhin hast du schon ein paar seltsame Dinge gedreht, um mir zu meiner Beförderung zu verhelfen. Hab ich recht?«
    »Ich will doch nur dein Bestes …«
    »Klar. Deswegen hast du vor drei Monaten auch Ladendiebin gespielt! Das war vielleicht peinlich! Noch dazu, nachdem ich an diesem Abend gar nicht Dienst hatte!« Ryffel duckte sich, der Meuchelhäher prügelte mit den Flügeln auf ein ihn.
    »Pfui!« fauchte Frau Ausrichter. Der wildgewordene Vogel machte sie nervös – die Erwähnung ihres Strafregisters ebenso. »Soll ich dir jetzt zeigen, wo dieser niederträchtige Schurke steckt? Damit du ihn verhaften kannst?«
    »Nach Ihnen,

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