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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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beobachtete, wie der MAD-Agent eine große Karte vor dem Runibike auf den Boden warf, kurz darauf das Vehikel startete und durch die Bäume davonraste.
    Brummelnd marschierte er los und hob die Karte auf. Er überflog das wirre Runenmuster, das darauf eingeritzt war, und begriff im selben Augenblick, daß hier etwas höchst Merkwürdiges vorging. Ganz bestimmt! Es war doch eher ungewöhnlich, daß jemand ein Runibike, das zufällig unter einem günstig gelegenen Busch geparkt war, mit der Anweisung »Nach Guldenburg! So schnell wie möglich! Los!« fütterte.
    Noch bevor die Runentafel auf dem Boden auftraf, hatte sich Merlot in flirrendes Lamettagefunkel aufgelöst und war verschwunden. Hoffentlich fiel ihm wieder ein, wo es nach Guldenburg ging.
     
    Gewaltige Schlüssel rasselten und klirrten, eine altersschwache Tür knarrte, und Wachtmeister Ryffel, Beamter des Amtes für Natürliche Ordnung, warf Hogshead in eine Zelle und die Tür hinter ihm zu. Er strahlte selbstgefällig.
    »Gut gemacht, Sohnemann.« Frau Ausrichter war stolz. Sie lächelte, wischte sich eine Freudenträne aus dem Auge und rückte ihren Kneifer wieder zurecht. Niemand hätte sagen können, wie lange es zurücklag, daß jemand in Guldenburg wegen Mordes verhaftet worden war. Seit Inkrafttreten des AA-Abkommens war niemand mehr beseitigt worden, ohne daß man nicht drei Wochen vor Erledigungsfall in dreifacher Ausführung davon unterrichtet gewesen wäre.
    Und ein Fall wie der vorliegende, ein Fall von unbefugter Beseitigung, nun … Der Galgen war dem Täter gewiß.
    An der Rückwand der stinkenden Zelle rappelte sich Hogshead mühsam auf kniff sich in den Arm. Doch: Er war im Gefängnis! Schon wieder! Irgend etwas in seinem Leben lief ganz gewaltig falsch.
    Ryffel grinste spöttisch durch die Klappe in der Tür. Hogshead beachtete ihn nicht, zog sich in eine Ecke zurück, ließ sich niedergeschlagen in einen Haufen alter Lumpen plumpsen und wollte diese Ecke durch diverse einschlägige Bekundungen zu seinem ganz privaten Schmollwinkel erklären.
    Doch ehe er noch dazu kam, ließ sich ein farbenfroh gefiederter Papagei auf dem Fenstersims nieder und spähte erwartungsvoll in die Zelle. Und schon hatte er sich durch die Gitterstäbe gezwängt, war auf den Boden gehopst und lugte zu Hogshead herauf – mit einem Blick, der auf irgendeine Weise die zwischen den Arten bestehende Kommunikationsbarriere überwand.
    Hogshead hatte schnell begriffen, daß dieser Vogel etwas zum Knabbern wollte. Und zwar gleich. Er fing an, in seinen Kitteltaschen zu kramen.
     
    Quintzi Cohatl lachte irr und meckernd. Er sauste radschlagend dahin, stieß sich mit den Unterarmen vom Boden ab, landete sicher auf beiden Beinen und stand vor einem riesigen, hastig hingepinselten Plakat. Sieben Tropfen reines Thaumaglobin rasten durch seinen Körper und jagten den hyperaktivierten Organismus zu immer neuen Gipfelpunkten des Wahns.
    »Ausgezeichnet!« urteilte er und tätschelte dem grinsenden Zock den Kopf. »Das kann er einfach nicht übersehen! Haha! Kommt schon, meine geliebten Jünger!« Er drehte eine Pirouette und marschierte, eine Schar von Jüngern im Schlepptau, weiter am Ufer des Müllbachs entlang.
    Es war ein beglückendes Erlebnis, den Menschen voranzugehen und sie in eine schönere, in eine bessere Zukunft zu führen. In eine Zukunft, in der er sie leiten würde, sowohl in spiritueller wie auch in weltlicher Hinsicht. Sein ganzes Leben war auf dieses Ziel hin ausgerichtet gewesen, er war der geborene Führer! Na gut, es mochte vielleicht eine Zeit gedauert haben, bis es soweit gewesen war … Aber besser spät als nie. Trotzdem: Jetzt galt es, die verlorene Zeit aufzuholen und mächtig die Werbetrommeln zu rühren. Er blickte zurück und dachte an gestern, an den Tag, als er zum ersten Mal mit einem großen schwarzen Sack zum Ufer des Müllbachs gegangen war, allein, und eine Zukunft vor Augen, die nur er sah. Und jetzt: Jetzt folgte ihm eine ganze Schar ergebener Anhänger nach, und alle hatten sie Anteil an seiner Vision, die von der glorreichen Zeit der Erfüllung kündete, die da kommen sollte. Sie trugen seinen zweiten Märtyrer, sein zweites theurgisches Opfer. Schade. Die Nanowichte waren wohl allzu gierig gewesen … Er selbst war abgelenkt worden … Aber letztendlich kam Derartiges doch allen zugute.
    »…so sind wir denn hier zusammengekommen, um diesen unnützen Sack in den Bach zu werfen, anschließend umgehend abzumarschieren und uns zu

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