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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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sagte: »Schafft mir das da weg! Bringt es runter zum Müllbach!« Er schleifte einen schweren schwarzen Sack hinter sich her.
     
    Irgendwo hoch droben auf einer Rodung in den Wäldern des Goldenen Dreiecks flirrte und flimmerte es wie glitzerndes Lametta. Ein schrilles Heulen war zu hören, und dann stand plötzlich ein Mann auf der Lichtung, der offensichtlich aus dem Nirgendwo gekommen war. Er trug einen knallbunten Mantel und einen Schal, der ihn als Fan einer Polomannschaft auswies. Er rückte den spitzen Hut zurecht und blickte sich um. Er suchte etwas. Er suchte einen ganz bestimmten pummeligen Jungen. Diesem Jungen würde er ein paar Fragen stellen müssen. Unter anderem die Frage, ob es irgendwelche Vorfälle gegeben hatte, die den Schluß nahelegten, daß hier merkwürdige und geheimnisvolle Dinge geschahen. Das Ganze war zwar nur eine vage Vermutung. Aber einen Versuch war es wert – er wußte schließlich, wie sehr sich Hogshead für derlei dubiose Vorgänge interessierte. Er ließ seinen Blick über die Lichtung streifen, kämmte Punkt für Punkt die Umgebung ab und suchte nach verdächtigen Hinweisen. Er hatte kaum neunzig Grad seines Gesichtskreises erforscht, da stieß ein wirbelndes Federknäuel von einem Baum herab: Ein fuchtiger Waldkauz stürzte sich auf ihn.
    »Mein lieber Arbutus! Wie schön von dir, daß du mich besuchen kommst …«
    »Hör bloß damit auf! Es war schließlich meine Idee! Das wollen wir doch nicht vergessen, ja?« krächzte Arbutus. »Mir ist zwar klar, daß du einen schnellen Abgang machen mußtest. Aber ›schnell‹ ist nicht gleich ›schnell‹! Und dieser Abgang war …«
    Nur mit knapper Not konnte Merlot verhindern, daß ihm Arbutus ein Ohr abbiß – er stopfte ihm mit einem pelzigen Häppchen den schnatternden Schnabel. Und genau in diesem Moment entdeckte er das kleine Zelt, das unter den Bäumen aufgeschlagen war. Er brummelte etwas wie ›Ignoranz der Jugend‹ vor sich hin, stapfte auf das Zelt zu und konnte doch kaum verbergen, wie froh er war, daß Hogshead offensichtlich noch nicht zusammengepackt und sich auf den Weg nach Cranachan gemacht hatte.
    Er blieb vor dem Zelt stehen, zog das Moskitonetz zurück und machte seinen Zeigefinger für die einschlägige Drohgebärde bereit: Er wollte Hogshead gehörig den Kopf waschen, weil er noch nicht zusammengepackt hatte. Der Junge mußte schließlich wissen, wer hier das Sagen hatte! Ein für allemal!
    »Nun, mein Junge: Was soll das heißen? Du bist immer noch da? Nachdem ich dir doch ausdrücklich gesagt … Oh!« Merlot stellte ziemlich schnell fest, daß das Zelt leer war.
    Er brummelte ärgerlich, suchte mit verdrießlicher Miene die Lichtung ab und sah plötzlich eine Gestalt durch die Bäume und Büsche huschen – auf eine Art und Weise, die man nur als ›verstohlen‹ bezeichnen konnte.
    »Hogshead! Komm sofort hierher …« Er brach, was bei Merlot nur sehr selten vorkam, mitten im Satz ab. Verwirrt sah er, wie die verstohlen durch den Wald huschende Gestalt zu einem Busch lief, sich bückte und ein tiefgelegtes dreirädriges Vehikel unter dem Busch herauszog, ein Gefährt, das wie eine kleine offene Gondel mit Windschutzscheibe aussah. Merlot stand mit offenem Mund da. Soviel Magie hatte er Hogshead doch noch gar nicht beigebracht! Die Gestalt war zu weit weg, Merlot sah sie nur unscharf und verschwommen. Er kniff die Augen zusammen … War das wirklich Hogshead?
    Plötzlich hörte er ein merkwürdig knackendes Geräusch. Verwundert sah Merlot, wie die Gestalt eine Gerätschaft ans Ohr hielt, die wie das Gehäuse einer Wellhornschnecke aussah. Es war kaum zu glauben, aber das Ding begann zu sprechen, mit einer dünnen Stimme, die sehr wütend klang.
    »Er ist weg? Und wohin?« Die Gestalt im Runibike schnappte erschrocken nach Luft.
    Das Gehäuse zischte, fauchte und keifte.
    »War ja nur eine Frage.«
    Wieder eine Serie schnarrender Kommandos.
    »Jawoll, Kommandant! Bin schon unterwegs, Kommandant!« Der Mann im Runibike steckte das Gehäuse in die Tasche und kramte in einem Beutel herum, der im Cockpit lag. »Hab doch gleich gewußt, daß er den Zauberer nicht lange fernhalten kann. Lächerliche Idee, ihm Karten für dieses blöde Polomatsch zu spendieren …«
    Die dünne Stimme belferte wieder los, es knackte, und eine Tirade übler Beschimpfungen schallte aus Zhaminahs Tasche. Dem Agenten war auf der Stelle klar, daß vergessen hatte, das Gerät abzuschalten.
    Merlot stand hinter einem Baum und

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