Die Nanowichte
Kerle stahlen ihm seine Schau, brüllten ungebärdig, zogen – ohne die einschlägige Genehmigung vorlegen zu können – Kaninchen aus Hüten und … Aber warte! Er wollte es ihnen schon zeigen. »Ich habe gesagt, das Rathaus wird einstürzen! Und das sollte keine leere Drohung sein, verstanden?« brüllte er die Nanowichte an, steckte den Finger ins Ohr und rüttelte.
Doch da passierte etwas Merkwürdiges mit den Nanowichten. Während Quintzi versuchte, die Menge mit wilden Drohungen, mit Warnungen vor einer verhängnisvollen Zukunft wieder unter Kontrolle zu bekommen, da stellten sich jene Gene, die die Nanos von der Guten Fee geerbt hatten, auf irgendeine Weise auf die Wünsche der Menge ein. Als nämlich die Menge hörte, daß Quintzi (»Falls es jemand interessieren sollte …«) eine Alternative zu der grauenvollen Zukunft zu bieten hatte, die allen beschieden war, da wurden die Gehirne der Nanowichte von eine Flutwelle widersprüchlichster Vorstellungen überrannt.
Während Meuchelmörder und Leichenbestatter von einem ganzen Haufen frisch erledigter Klienten träumten, hofften Aromatherapeuten und Akupunkteure, daß ihnen die Zukunft scharenweise quicklebendige – wenn auch vielleicht nicht vollkommen beschwerdefreie – Patienten bescheren würde. Bankangestellte wünschten sich bruchfeste Panzerschranktüren, hinter denen riesige Geldstapel einbruchsicher lagerten, während sich Panzerknacker ein paar Kisten Allzweckdynamit erhofften, mit dem jeder Tresortür beizukommen war. Und zum erstenmal in ihrem Wichtelleben erfuhren die Nanowinzlinge jetzt, was es bedeutete, wenn man völlig verwirrt war – es war ein vollkommen neues und sehr beunruhigendes Gefühl. Bisher hatte es für sie – ganz entsprechend dem Logischen Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten – immer nur zwei Möglichkeiten gegeben: kaputt oder saniert, defekt oder perfekt. Sie surrten verstört, saßen in der Falle zwischen Cohatls Visionen von einem herrlichen und wohlsituierten Leben als Herrscher von Guldenburg, und Wachtmeister Ryffels übermächtiger Begierde, den Propheten ins Gefängnis zu werfen und anschließend den Schlüssel wegzuschmeißen.
Und dann war da noch der MAD-Agent Zhaminah. Er befand sich in einem Zustand, der mit ›verwirrt‹ nur sehr unzureichend beschrieben wäre. Gerade als die Milz mit wilder Lust die Bauchspeicheldrüse herumwarf, hickste Zhaminah wieder und blies erneut eine riesige Stichflamme himmelwärts. Seine Eingeweide verknoteten und verwickelten sich, als würden sie dafür bezahlt, seine Pupillen rotierten und verschwanden unter der Schädeldecke, sein ganzer Körper vibrierte und bebte.
Der Platz vor dem Rathaus leerte sich, die Menschen gerieten in Panik und rückten immer weiter von dem bedrohlich oszillierenden Fremden ab.
Und dann quollen kleine Dampfwolken aus Zhaminahs Ohren – das erste Anzeichen dafür, daß der Zug für ihn abgefahren war. Er hielt sich die Hand vor den Mund und sagte schlicht: »Hoppla!«
Eine Sekunde später war von dem ehemaligen MAD-Agenten nur noch ein schwelendes Häufchen übrig. Dann zersprangen klirrend die Fenster des Rathauses, die Menge schrie wie aus einem Mund, machte kehrt und floh entsetzt.
Mit offenem Mund starrte der rapide alternde Quintzi auf die Szenerie, die sich vor seinen Augen entfaltete: Er sah die Fenster in den Straßen der Stadt zerspringen, sah Beamte des Amtes für Natürliche Ordnung durch die Menschenmassen stürmen und sah, zertrampelt und in den Staub getreten, einen Teddybär, den ein Kind verloren hatte.
Es war einfach ungerecht! Warum hatte er damals bloß nicht kapiert, daß er das alles tatsächlich vorhersah?
Plötzlich packten ihn zwei gewaltige Pranken an der Schulter, und zwei Stimmen knurrten ihm in die Ohren: »Ahm. Ich denk, wir sollten uns mal unterhalten!«
Quintzi hing wehrlos am langen Arm des Amtes für Natürliche Ordnung. »Ich verhafte Sie wegen zweifachen Mordes …«, konnte Ryffel noch sagen, doch dann tat Überwachtmeister Strappado seinen autokratischen Mund auf.
»O nein, Freundchen«, schnaubte er. »Der gehört mir. Ganz allein mir!«
»Aber ich hab ihn doch zuerst gefaßt«, quengelte Ryffel. »Ich meine: damals, bevor er sich in einen Papagei verwandelt hat!«
»Er gehört mir!« Strappado funkelte ihn wütend an. »Und ich nehme ihn fest wegen Einbruchs in die Geschäftsräume des Amtes für Natürliche Ordnung …«
»…und wegen Ausbruchs aus dem Zellentrakt des Amtes für Natürliche
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