Die Nanowichte
endlich«, wisperte Arbutus. »Wie ist der Spielstand?«
»Woher soll ich das wissen, verdammt noch mal!«
»Wie bitte? Diese bombastischen, flittrigen Auf- und Abtritte – das war alles nur Theater … Pah! Hab ich natürlich immer gewußt! Bin ich nie drauf reingefallen! War mir immer klar, daß du dich nur mal kurz verdrückt und dir das Spiel angesehen hast! Also sag schon: Wie steht’s?«
»Versprichst du mir, daß du ihm nichts verrätst von meiner kleinen … äh … Lektion?«
»Den Spielstand will ich wissen!«
»Die Apokalyptischen Vier liegen meilenweit in Führung. Wenn sie’s jetzt nicht schaffen, dann … Aah! Herzlichen Dank, mein Junge! Ich komm mir ja direkt nackt vor ohne ihn.« Merlot nahm Hogshead den Spitzhut ab und setzte ihn auf. »Wenn ich den nicht aufhabe – man könnt sich ja fast den Tod holen«, sagte er und zwinkerte Arbutus zu.
»Das ist nicht lustig.« Hogshead zuckte zusammen und schlug unglücklich die Augen nieder. »Überhaupt nicht lustig.«
Quintzi Cohatl schüttelte die Knochen. Er zitterte heftig. Der Blick seines neuen Vorgesetzten brannte wie Feuer.
»Und?« fauchte Überwachtmeister Strappado und heizte den von ihm ganz besonders geschätzten Schürhaken an. »Laß hören! Ich hab schließlich nicht ewig Zeit.«
Quintzis Hände zitterten, er verging fast in der Gluthitze, die Strappados wütender Blick ausstrahlte.
»Du hast behauptet, du kannst vorhersagen, wo, wann und von wem in nächster Zeit Verbrechen verübt werden! Also mach endlich!« brüllte Strappado und warf dem buntgefiederten Papagei, der auf der Eisernen Jungfrau hockte, eine geröstete Kastanie zu.
Quintzi öffnete unwillkürlich die Hände und ließ ein gutes Dutzend Spitzmausknochen auf den Tisch in der Einvernahmezelle No. 6 fallen. Er starrte auf das beinerne Arrangement, legte unter dem Tisch die Finger überkreuz und sagte: »Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich ein Fall von widerrechtlicher Aneignung und Entfernung fremden Eigentums ereignen, und zwar in beziehungsweise aus einer Behausung in …«
»Nein, nein, nein! Drück dich gefälligst verständlich aus!«
»Äh … Ich … Ich kann nicht sehen …«
»Das werden wir schon sehen, ob du sehen kannst!« Strappado grinste und schwang lässig das rotglühende Schüreisen.
Quintzi sammelte zitternd die Knochen ein und warf sie erneut auf den Tisch. Er war verzweifelt. Hätte er tatsächlich in die Zukunft sehen können, dann wäre ihm bedeutend wohler gewesen.
Wenn er geahnt hätte, daß er jetzt hier sitzen würde … daß es soweit kommen sollte … Avocadokonservierung erschien ihm jetzt geradezu attraktiv. Das damit verbundene persönliche Risiko war in jedem Fall erheblich geringer.
Die Knochen ergaben ein gleichermaßen unverständliches Bild.
»Äh … Raubüberfall. In einer halben Stunde. In der Leimergasse«, log Quintzi.
»Gut, gut!« Strappado grinste und rückte näher. »Und wie steht’s mit dem Goldpokal von Dschell d’Nham? Empfiehlt sich’s, auf Wildfang Jatagan zu setzen?«
Quintzi wimmerte und schluckte ängstlich. Wenn er sich doch nur erinnern hätte können, wer auf welchen Platz gekommen war!
Das sanfte Gezwitscher der Buntschwirle erfüllte die Luft, ein Geräusch, das kaum lauter war als das Gebrodel in einem kleinen Topf. Der rundliche Junge, den der Gestank aus dem Töpfchen direkt anwehte, hielt sich angewidert die Nase zu. Er war ungemein dankbar, daß nicht er es war, der diese Brühe schlucken mußte.
»Fertig!« Er rührte zum Abschluß noch einmal kurz um.
»Großartig«, krächzte der weißhaarige Zauberer. »Aber hätte das nicht noch ein bißchen warten können?«
»Na, na! Was ist das denn für eine Einstellung?« schimpfte Hogshead. »Du mußt schließlich wieder zu Kräften kommen. Ich hab’s genauso gemacht, wie du gesagt hast: Rosenkohl, Spinat und diese komischen blaugeäderten Pilze. Los, runter damit! In einem Zug!«
»Muß ich wirklich?«
Arbutus, der auf einem niedrigen Ast saß, bedachte Merlot mit einem durchdringenden Blick aus orange-roten Augen. »Siehst du?« flüsterte er. »Ich habe ihm nichts gesagt. Aber wenn du ihm jetzt erklären willst, daß das alles nicht nötig ist – bitte schön, ich will dich nicht aufhalten.«
»Aufessen!« Hogshead ließ nicht locker. Er genoß es ungemein, das pflanzenkundliche Wissen, das er sich in jenem zweiwöchigen Kurs erworben hatte, endlich einmal auch sinnvoll anwenden zu können. Und wenn er sah, daß der
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