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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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wirklich ein bißchen sehr dick auf.
    Tiemecx rückte mit nervösem Getrippel Stück für Stück von der Pflanze ab.
    »Aber ich hab das doch nicht gemacht … Ich bin so stehengeblieben, wie ihr mir gesagt habt, und ihr seid davonge … ihr seid … IHR!« Blitzartig kam die Erleuchtung über ihn, sie traf ihn mit der Wucht eines Sattelschleppers. »Ihr habt das gemacht!« schrie er.
    »Wer, wir? Wir sind doch nur die schwachen Stimmchen des Schicksals! Wir zeigen dir lediglich deine Zukunft. Ganz schön aufregend, was?« Nimlet war endlich wieder eingefallen, was er von Axolotl gehört hatte: Es war die Stadt, in der Prophetie und Hellseherei grassierten.
    Quintzis Gesicht verfärbte sich eigenartig purpurrot. Er stürzte sich auf die Pflanze, packte sie, in Ermangelung einer Gurgel, am Stamm und schüttelte sie wütend. »Was seid ihr? Was tut ihr für mich? Was mach ich?« brüllte er und starrte das zerzauste Büschel, das er von der zerrupften Blattpflanze noch in den Fäusten hielt, böse an.
    »Das nenne ich Dankbarkeit«, fauchte die Pflanze kratzbürstig.
    »D … Dankbarkeit?« stotterte Quintzi. Ein grüner Saft tropfte ihm von den Händen.
    »Wofür sollte ich euch dankbar sein? Ihr habt innerhalb kürzester Zeit die gesamte Einwohnerschaft meiner Heimatstadt gegen mich aufgebracht! Und dafür soll ich euch dankbar …?«
    »Also hör mal! Damit wir uns richtig verstehen: Du hast uns darum gebeten. Werd jetzt bloß nicht pampig!«
    »Was? Euch gebeten? Wann?«
    »So ungefähr nach dem zweiten Schluck aus der dritten Flasche wird’s wohl gewesen sein.«
    »Gestern abend? Ich, ich … das hab’ ich doch nicht ernst …«
    »Ach nein? Na ja, du solltest dir jedenfalls eine gute Ausrede überlegen. Ich kann mir nämlich nicht so recht vorstellen, daß du mit irgendwelchen Geschichten von sprechenden grünen Lichtlein die Meute da draußen abspeisen kannst …«
    Quintzi war entsetzt. Jetzt hörte auch er plötzlich das wütende Getrampel drunten auf der Straße und den unmelodischen Singsang eines lynchwütigen Mobs. Er ließ die Pflanze fallen, rannte ans Fenster und stierte mit offenem Mund hinaus: Aus allen möglichen Straßen kamen sie, strömten in Scharen in die Wühlechsengasse und liefen genau vor seinem Fenster zusammen.
    Ein Stein flog aus der Menge, zertrümmerte die Fensterscheibe und sauste knapp an Quintzis linkem Ohr vorbei. Er landete in der Küche, zertepperte mit einem Höllenkrach drei von Quintzis hochgeschätzten Terrakottatellern und demolierte das letzte Glas mit eingemachten Avocados, das irgendwann später einmal auf dem Schwarzmarkt ein Vermögen gebracht hätte.
    »Helft mir doch«, bettelte Quintzi und starrte die auf dem Boden liegende Pflanze verzweifelt an. »Ihr müßt mir …«
    »Müssen wir?«
    »Ja, ja, ja, ich … ich werde es euch zu danken wissen. Ich stehe für immer in eurer Schuld. Ich will alles tun …« Und wieder krachte ein Sandsteinbrocken in die Küche. Tiemecx krächzte und verzog sich blitzartig unter die Überreste eines Kissens. Die Nanowichte blinzelten sich zu. Sie waren begeistert: Da bettelte doch tatsächlich jemand darum, für ihn einen Job zu erledigen! Befahl nicht, wie sonst immer, sondern katzbuckelte ehrlich und aufrichtig! Wie hätten sie da noch widerstehen können? Quintzi zeterte ohne Ende weiter: »…weil wenn ihr’s nicht tut, dann wird mich dieser Mob umlegen oder totschlagen oder umbringen oder sonst was Scheußliches mit mir anstellen! Bitte! Wo ich’s doch nicht sehen kann, wenn ich blute …«
    »Los! Durch die Hintertür!« zischte die Pflanze hämisch, etwa so wie Clint Machismo in einem Laterna-Magica-Streifen (80-mm-Superthaumination) gezischt hätte. Quintzi glaubte schon, sie werde noch das obligatorische ›Ich halt euch die Kerle vom Leib‹ draufsetzen. Sie tat es nicht. Was Quintzi, hätte er die Zeit dazu gehabt, sicher enttäuscht hätte. Die Nanowichte flitzten jetzt aus dem mittlerweile bis zur Unkenntlichkeit zerrupften Blatt, flogen den einen oder anderen Looping und verschwanden umgehend im wachsweichen Innern von Quintzis linkem Ohr.
    Hinter sich hörte der Prophet die Meute die steile Treppe heraufstampfen. Nur wenige Sekunden noch, dann würden Fäuste an die Tür hämmern, der Mob würde sie eintreten und ins Zimmer stürmen. Was, wie sich gleich zeigen würde, ein sinnloser und absolut unnötiger destruktiver Akt war, weil er, Quintzi, in der Eile vergessen hatte, die Vordertür abzusperren.
    Im Gegensatz

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