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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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zur Hintertür. Verzweifelt riß und rüttelte er an der Klinke, so fest, daß die Fingerknöcheln weiß hervortraten. Und während die aufgebrachte Meute die Treppe heraufkletterte, fummelte er zu Tode geängstigt an seinem Schlüsselbund herum und steckte aufgeregt einen Schlüssel nach dem anderen – allesamt wunderschön geschnitzte hölzerne Schließwerkzeuge – ins Schloß, ohne einmal den richtigen zu finden.
    »Wir wissen, daß du da drin bist, Cohatl«, hörte er Miesly vor der Vordertür schreien. »Komm raus und laß dich hängen! Oder traust du dich nicht, Feigling?«
    Quintzi quiekte vor Entsetzen und drehte den großen Hausschlüssel aus angstarktischer Kiefer mit Gewalt um.
    »Komm raus!« brüllte Miesly. »Sonst kommen wir rein!« Fäuste hämmerten gegen die Vordertür, Quintzi fuhr herum und schrie: Der Schlüssel knackte und brach. Die vordere Hälfte steckte im Schloß, stand etwa einen Viertelzoll weit heraus. Quintzi zupfte an dem Stumpf herum, versuchte, ihn umzudrehen, während das wummernde Hämmern immer lauter und resoluter dröhnte, während die Vordertür ratterte und bedrohlich in den Angeln knarzte. In wenigen Sekunden würde sie hinüber, vom anstürmenden Mob zertrampelt und bestenfalls noch als Feuerholz zu gebrauchen sein. Quintzi schrie.
    Er preschte in die Küche, stellte sich mit dem Rücken zur Wand, zog die Schultern hoch und rannte, die Augen fest geschlossen, wie ein Rammbock mit Volldampf gegen die Hintertür an. Es war eigentlich ganz einfach: Er brauchte nur seine gesammelte Muskelkraft, den konzentrierten Schwung seiner Körpermasse auf das altersschwache Schloß richten, und schon würde es ihm – wie Clint Machismo in einem von diesen Laterna-Magica-Streifen – gelingen, die Tür aufzusprengen. Er stürmte dahin, stellte sich auf den Aufprall ein, donnerte gegen die Tür und … prallte elendiglich wieder zurück.
    Tiemecx zuckte zusammen.
    »Ich will raus!« schrie Quintzi in panischer Angst. Wie der Blitz sauste Nimlet aus dem Prophetenohr und bearbeitete das Schloß der Hintertür, dröselte gekonnt mikroskopische Fasern auf und riß sie auseinander, während der Mob ohne Ende aus der Wühlechsengasse die Stufen zu Quintzis Wohnungstür heraufkletterte.
    »Steh auf!« schrien nur wenige Sekunden später die Nanowichte in Quintzis Ohr. »Versuch’s noch mal!«
    »Aber ich hab mir die Schulter geprellt. Und auf die Zunge habe ich mich auch gebissen. Glaub ich jedenfalls.«
    »Du wirst bald keine Schulter und auch keine Zunge mehr haben, wenn du’s nicht noch mal versuchst!« summten die Nanos. Von der kurz vor der Auflösung stehenden Vordertür war ein beängstigendes splitterndes Geräusch zu hören. »Los jetzt! Auf die Beine mit dir!«
    Getrieben von nackter Angst, rappelte er sich auf, nahm Anlauf und warf sich gegen die Hintertür. Ein kurzes Knirschen, dann ein Knacken, und schon war das Schloß gesprengt. Quintzi flog die Treppe hinunter. Die ganze Treppe – er berührte keine einzige Stufe.
    Und kam – unglaublich, aber wahr – im Laufschritt unten an. Kam genau in dem Moment unten an, als die Vordertür aufplatzte und eine Flutwelle wütender Axolotianer ins Zimmer schwappte – Axolotianer, die es nach Blut verlangte und nach lebenswichtigen inneren Organen desgleichen. Es dauerte nur eineinhalb Sekunden, dann war ihnen klar, daß Quintzi verschwunden war. Und nur unwesentlich länger dauerte es, bis sie herausgefunden hatten, auf welchem Weg er sich davongemacht hatte. Die sanft hin und herpendelnde Tür, die nur mehr an einer Angel hing, könnte ihnen möglicherweise einen Hinweis geliefert haben … vielleicht auch jener leuchtendbunte Streif, den sie hatten aufblitzen sehen, als der Papagei an ihnen vorbei durch die Öffnung gebrummt war … Nun, was immer es auch gewesen sein mochte – der Mob stürmte schreiend zur Hintertür hinaus und brach zu einer wilden Verfolgungsjagd auf.
    In Quintzis Ohr – einem verhältnismäßig sicheren Standort – brüllten und schrien die Nanowichte, feuerten ihn an und dirigierten und lenkten ihn virtuos durch die engen Gassen und über die kleinen Plätze von Axolotl zum westlichen Stadtrand, hinaus zum ›Großen Spalt‹.
    Obwohl sehr oft schon einige mutige Leute Steine in diese Kluft geworfen und dann gezählt hatten, wieviel Zeit vom Verschwinden des Wurfgeschosses in der unergründlichen Finsternis bis zum Aufschlaggeräusch verging, wußte niemand, wie tief dieser Große Spalt tatsächlich war. Daß

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