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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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begutachten, aufheulen, Konzept überarbeiten, wieder von vorn anfangen), hatte sich Ellis Dee nach einer Betätigung umgesehen, die ein wenig mehr von dem bot, was man gemeinhin ›Kick‹ nannte. Und hatte ziemlich schnell herausgefunden, daß sich diesbezüglich mittels Inhalation des Rauches von gerösteten Mohnsamen, sauber gerollten getrockneten Blättern und einer winzigen Beigabe Wacholderbeeren phantastische Ergebnisse erzielen ließen. Von da an widmete er sein Leben dem Ernten, Destillieren, Extrahieren und Mischen so vieler verschiedener pflanzlicher Exemplare, wie er in die Finger kriegen konnte, und testete die dabei gewonnenen Pulver, Tinkturen und Salben an einer Unzahl freiwilliger Mitarbeiter. Zu seiner übergroßen Freude durfte er erfahren, daß der Zustrom begeisterter Mitarbeiter und Anhänger allem Anschein nach nie versiegte.
    Aber irgendwo weit hinten in einem Winkel im Südwesten von Ellis Dees inoffiziellem Königreich hockte wie ein Häuflein Elend ein rundlicher kleiner Wandersmann auf einem bemoosten Stamm und hatte keine Ahnung von der narkotischen Potenz, mit der beinahe jeder Baum um ihn herum aufwarten konnte. Er brummelte ärgerlich vor sich hin und schimpfte, daß bislang alles nur pure Zeitverschwendung gewesen sei. Und nicht nur das: Manchmal war es auch verdammt ungemütlich gewesen. Vorgestern nacht zum Beispiel, als der Wolkenbruch eine ganze Kompostladung halbverrottetes Laub auf seinem Zelt abgeladen hatte … Es stank immer noch. Und vor einer Woche, als ihm ein kompletter Schwarm Harzer Roller ins Zelt geflattert war … Stank auch immer noch. Hogshead fluchte.
    Manchmal fragte er sich, ob er nicht besser zusammenpacken, abmarschieren und in den befestigten Reichspalast von Cranachan zurückkehren sollte. Immerhin war das Dach dort dicht. Aber sonst … Sonst passierte dort auch nicht sonderlich viel. Ist auch nicht gerade ein Leben voller Abenteuer, das man dort führt, dachte er gelangweilt. Was aber viel schlimmer war: Man nahm dort seine magische Kunst nicht ernst. Firkin und Dawn nicht, die hinter seinem Rücken über ihn lachten, weil er keine Drachen aus dem Ärmel schütteln konnte, und König Klayth genausowenig: Der ließ ihn Kleiderhaken an den Palastwänden anbringen und holte ihn, wenn er jemand brauchte, der der Rattenplage in den Kellern ein Ende machte oder ihm (und das trieb Hogshead fast zum Wahnsinn) die königlichen Socken stopfte! Das war die Kunst, die man ihm zutraute: Kunststopfen! Wenn er bloß irgendeinen besonderen Zauber beherrscht hätte! Wirkliche Zauberkunst, echte, pyramidale Magie, irgend etwas, womit man einem Mädchen den Kopf verdrehen konnte. Hogshead seufzte erbärmlich und dachte an den rothaarigen Stoff, aus dem seine Träume waren. Einmal hatte er schon geglaubt, er hätte es geschafft: Damals, als er die Sache mit den Feuerkugeln endlich hingekriegt hatte, nachdem er sich weiß der Himmel wie viele Nächte um die Ohren geschlagen, riesige Folianten gewälzt und den Zauberspruch gelernt hatte. Und dann hatte er Courgette geholt und hatte direkt vor ihren Augen drei brennende Kugel durch die Luft sausen lassen! Und sie …: »Kannst du nicht irgendwas Nützlicheres?« hatte sie gemault und ihn mit einem vernichtenden Blick bedacht.
    Nützlich? Daran war Hogshead nicht interessiert. Das hatte er zwei Jahre lang gehabt. Ihm ging es um das Besondere, um das ganz und gar Außergewöhnliche, um das … Bhoauey! … Um so was in der Art! Oder, um es kulinarisch zu formulieren: Um das geniale, fünfgängige Festbankett, bei dem jedem das Wasser im Munde zusammenlief; um delikateste Fleischgerichte, bei deren Anblick es jedermann Tränen der Freude ins Auge trieb; um Desserts, bei deren Duft den Mädels die Knie weich wurden! Und er … Er konnte bestenfalls ein Ei kochen.
    »Charakterbildung«, hatte Merlot gesagt. Das war alles. Und dabei hatte er sein Gesicht hinter dem grellbunten Mantelärmel versteckt und gefeixt. Charakterbildung? Dafür war Hogshead nicht den ganzen langen Weg hier herauf marschiert! Er hatte an Magie gedacht.
    »Wir sollten uns doch einmal etwas näher mit jenen wundersamen magischen Kräften befassen, die in gewissen, ganz gewöhnlichen Pflanzen schlummern, nicht wahr?« hatte Merlot vor einiger Zeit (vor Monaten, wie ihm jetzt schien) bei einer seiner Stegreifvorlesungen im befestigten Reichspalast von Cranachan gesagt. Und natürlich hatte Hogshead sofort angebissen. Kein Wunder: endlich eine Chance, nicht mehr

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