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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Belastungen, die das Amt eines Ordnungshüters im Rang eines Überwachtmeisters nun einmal mit sich brachte. Nein: Es lag wie immer an seiner Frau.
    Alle dreißig Sekunden etwa atmete sie lautstark durch den offenen Mund ein, hielt dann kurz die Luft an und stieß sie mit einem schrillen, meckernden Geräusch wieder aus. Seit zwei Jahren ging das jetzt so. Er hatte es mit drei Pfund schweren Kanonenkugeln versucht, die er ihr in den Schlafanzug eingenäht hatte, damit sie auf ihrer Seite des Betts liegen blieb – das Gemecker war nie verstummt. Er hatte es mit Akupunktur versucht, mit Aromatherapie, mit einer Reihe absonderlicher Übungen zur ›optimierten Fokussierung der elementaren Lebensenergie‹ (was unter anderem durch das Tragen eines mit kleinen Kristallen besetzten Halsbandes bewirkt werden sollte) – nichts hatte genützt. Das Geld (mehrere Monatsgehälter) war zum Teufel, aber seine meckernde Frau war ihm geblieben. Hätte sie sich bloß damals nicht freiwillig gemeldet! Hätte er sie bloß damals nicht in den Silbernen Spucknapf mitgenommen! Damals … Vor zwei Jahren hatte er sich einen unverzeihlichen Fehler geleistet.
    Er hätte es wissen müssen. Aber sie hatte ihn so lange bedrängt, bis er sie schließlich mitgenommen hatte … zur Vorstellung von diesem Zauberkünstler …
    Er riß die blutunterlaufen Augen auf, starrte zur Decke und zählte die Risse und Ameisen dort oben. Hätte er nur auf seinen Vater gehört … und auf den Vater seines Vaters … und auf den Vater des Vaters seines …
    »Trau ihnen ja nicht über den Weg!« hatten sie immer gesagt. »Wie kann man jemand trauen, der so was anzieht, hä? Schnabelschuhe, affige Hüte und dann noch diese wallenden roten Mäntel! Eins laß dir gesagt sein, Junge: Sie wollen unsere Gesellschaft zerstören! So wie die läuft doch nur einer rum, wenn er was zu verbergen hat, oder? Meiner Meinung nach sind die drunter splitternackt! Die tragen diese Mäntel doch bloß, weil sie im Dunkeln kleine Mädchen erschrecken wollen! Trau nie einem Magier, mein Junge, die Kerle sind nicht normal!« Jeden Abend hatte sein Vater mit einem Stecken unter dem Bett herumgefuchtelt, um »diese Perverslinge zu verscheuchen! Glaub mir, Junge: Die sind überall! Kann man gar nicht genug aufpassen!«
    Tagtäglich fand sich ein wenig Sand im schlecht geschmierten Getriebe des Lebens, irgendein winziges Problem, das man den teuflischen Machenschaften dieser verdammten Rotröcke zuschreiben konnte, und tagtäglich gab es ein paar neue und nützliche Tips: »Trau niemals einem Zauberer, der seine Kunst auf der Bühne zeigt, mein Junge! Jemand, der sich stundenlang in kleine Kisten einsperrt und schlappohrige Karnickel aus altmodischen Kopfbedeckungen rausholt, mit dem kann doch was nicht stimmen, oder? Warum holt er sich die Viecher nicht wie jeder normale Mensch beim Metzger?«
    Seit jenem Tag, als er es zum ersten Mal geschafft hatte, den Gummiknüppel seines Vaters hochzuheben, seit damals hatte er immer wieder zu hören bekommen, daß (1) das Königreich an allen Ecken und Enden von dreckigen Rotröcken unterwandert war; daß sich (2) überall im Land fanatisierte Hexenmeister herumtrieben, Sabotageakte verübten und die böse Saat der Unzufriedenheit aussäten; daß (3) eine Bande okkultistischer Usurpatoren schon längst die Herrschaft über das Königreich an sich gebracht, die herrschende Klasse durch willfährige Zombies und Marionetten ersetzt hatte und auch ihn noch holen würde. Nirgends war man vor ihnen sicher: Sie waren unter dem Bett genauso wie im Kleiderschrank, zauberten Ohren an die Wände und Wanzen an die Zimmerdecke, hörten alles und waren deshalb immer einen Schritt voraus. »Liegt doch auf der Hand«, hatte sein Vater gesagt. »Drum ist ihnen ja noch keiner auf die Schliche gekommen. Weil sie’s immer schon wissen, wenn man kommt …«
    Schon damals hatte der junge Strappado seine Entscheidung getroffen und sich geschworen, diesem Spuk eine Ende zu machen. Er hatte die Vollzugsbeamtenlaufbahn beim Amt für Natürliche Ordnung eingeschlagen, war fest entschlossen, den magisch-widernatürlichen Ungeist mit Stumpf und Stiel auszurotten und Guldenburg vor der Roten Gefahr zu erretten.
    Wenn alles so gelaufen wäre, wie er es sich vorgenommen hatte, dann hätte es zwischen Isolon und Cranachan nur eine Gemeinde gegeben, die das Prädikat Magiefreie Zone wirklich verdiente: Guldenburg. Aber leider war alles entsetzlich schiefgelaufen.
    Und gerade

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