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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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gerannt.

 
III
WILLKOMMEN ZUR MYSTEMS IN GULDENBURG!
     
     
    Viele Meilen von jenem Dreieck entfernt, das man Das Goldene nennt, und weit hinter den Krapathischen Bergen, lag hingeduckt die berüchtigte Stadt Guldenburg.
    Guldenburg! Welche Bilder und Vorstellungen dieser Name doch heraufbeschwor! Eine starke Festung militärischer Macht, bevölkert von blutrünstigen Fußsoldaten, die offenen Auges und mit scharf geschliffenem Bajonett zum Kampfe bereitstanden! Ein mit glänzenden Türmen armiertes Bollwerk, das flirrend wie eine Fata Morgana über einem Wassergraben schwebte, auf dem mancherlei Gänse schwimmend ihre Kreise zogen.
    Von wegen.
    Zugegeben: Die Burg gab es. Nur die Anzahl glorreicher Siege, mit denen sich diese Festung aus der peinigenden Umklammerung endloser Belagerungen befreit hatte, war – auch das muß zugegeben werden – beschämend gering. Oder genauer gesagt: Wenn man von den unzähligen Falschmeldungen in den Reiseführern einmal ab- und sich die nackte Wahrheit genauer ansah, dann konnte sich auch die gemeine Strumpfbandnatter an den Fingern abzählen, wie oft Guldenburg tatsächlich in irgendwelche militärischen Operationen verwickelt gewesen war.
    Die vor langer Zeit auf einem sumpfigen Buckel über dem Grabhügel von Sankt Strizzius errichtete Ansiedlung war ein Musterbeispiel vorsätzlicher planerischer Vernachlässigung gewesen, bis irgendwann einmal ein Bürgermeister seinen Großen Plan verwirklicht und zum ersten und letzten Mal den Versuch unternommen hatte, ebenso leichtgläubiges wie leicht auszunehmendes Touristenvolk nach Schuldenberg (so der damalige Name der Ansiedlung) zu locken. Dieser Bürgermeister ließ über diverse sündteure Reiseführer eine eilig zusammengeschluderte Siedlungshistorie verbreiten, sorgte dafür, daß ein halbes Dutzend zum Tode verurteilter Krimineller einen wackligen Ringwall aufrichtete und einen Burggraben aushob, machte damit sein Kaff zur Stadt und taufte sie Guldenburg. Und dann tat er die knarrenden Tore weit auf und hieß Hinz und Kunz aufs herzlichste willkommen.
    Eine Zeitlang lief alles recht gut. Die Leute kamen in Scharen und stürmten die Läden, die alle möglichen kunsthandwerklichen Artikel verscherbelten: scheußlich geformte, in Handarbeit gefertigte Kerzen etwa, lausig gearbeitete Korbwaren und kleine Halbkugeln, in denen eine kaum kenntliche Nachbildung der Burg zu sehen war – drehte man sie um und schüttelte, dann brach ein kleiner Schneesturm los. Jedes Erzeugnis trug das Logo der Handwerkerinnung von Guldenburg, das HGB-Gütesiegel, die Versicherung, daß Handwerk Guldenen Boden hat. Und alle waren sie ohne Ausnahme nur eines: Nepp und Beschiß.
    Aber erstaunlicherweise stürzten sich die Touristen auf dieses Zeug. Und zwar so lange, bis irgendwann auch die umliegenden Städte auf den Dreh kamen und ihre eigenen faszinierenden Stadtgeschichten und -historien in die Welt setzten. Schon bald gab es eine gutorgansierte Urlaubsroute, auf der der Touristenstrom von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gelenkt wurde, auf der man, je nach Gusto, entweder die berühmten Kräutergärtlein auf der Würzburg in Kümmelingen, den Sagenhaften Mangoldschatz von Topinambur oder die Unterirdischen Räucherkammern im Kyffhäuser besichtigen konnte.
    Guldenburg mußte empfindliche geschäftliche Einbußen hinnehmen und verkam zu einem Domizil für verzweifelte Geschäftemacher, steckbrieflich gesuchte Meuchelmörder und eine buntgemischte Horde von Organisatoren und Veranstaltern, die auf Teufel komm raus versuchten, Gott und der Welt das erst vor kurzem fertiggestellte Congress Center Guldenburg (CCGB: Tagen und Tafeln im Schatten der Burg) für Konferenzen und Messeveranstaltungen anzudienen.
    In einer kleinen Seitenstraße irgendwo in dieser Stadt, in einer Bruchbude (etwas Besseres konnte er sich bei seinem Gehalt nicht leisten) lag Strappado, Vollzugsbeamter beim Amt für Natürliche Ordnung im Rang eines Überwachtmeisters, schnarchend neben seiner Frau Vif. Wie immer litt er auch in dieser Nacht an Schlafstörungen. Und das lag nicht an dem Gebrüll, das ohne Pause und immer dann aus der örtlichen Spielhölle herüberschallte, wenn wieder einmal ein Zocker beim Spiel mit gezinkten Karten bis aufs letzte Hemd ausgezogen wurde. Es lag auch nicht am Geplärr der Krummhörner oder am Gewummer der Tamburine in den umliegenden Kaschemmen, wo nach dem Motto Gut ist, was fetzt aufgespielt wurde. Und es lag ebensowenig an den schweren

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