Die Nanowichte
die er Praxx aus der Hand genommen hatte, und legte sie auf den Tisch.
Praxx nickte. Er mußte zu seiner Überraschung feststellen, daß er tatsächlich beeindruckt war.
»Ernstl«, fuhr Apathos fort, »Ernstl muß jetzt auch nie wieder schwere Lasten durch endlos lange Korridore schleppen. Runibikes lassen sich ganz leicht zu Zugmaschinen umrüsten.«
Ernstl hob anerkennend seinen Krug und hickste vernehmbar. Die schäumende Mousse schien ihm in den Kopf zu steigen.
»Also. Sind wir bereit für eine kleine Demonstration? Eine kurze Rundfahrt?« fragte Apathos. Praxx nickte. Apathos schaltete ein und trat zurück. Mit einem summenden Geräusch sprang das Runibike an und schoß auf die Tür zu. Praxx kreischte entsetzt und gleichzeitig begeistert auf, etwa so wie Teenies kreischen, wenn der Wagen auf dem höchsten Punkt einer riesigen Achterbahn zur Talfahrt ansetzt. Die mustererkennungsfähigen Kristallkugeln suchten zwei Fuß voraus den Boden ab. Sie sichteten ein Runenzeichen, identifizierten es korrekt und gaben Steuerbefehl für eine scharfe Linkswende. Das torpedoförmige Dreirad schoß mit quietschenden Reifen durch die Tür, bog kreischend im 90°-Winkel ab und raste durch den Korridor davon – mit Praxx im Cockpit, der immer noch wie ein Wilder schrie, und dicht gefolgt von einem Linser, den niemand bemerkte. Immer dann, wenn eine Karte auftauchte, verarbeitete das Vehikel die vorgefundene Information korrekt und reagierte entsprechend: Es drehte ab, pfeilschnell und unerwartet. Knapp eine Minute nach dem Blitzstart war die eine Meile lange Rundfahrt auch schon wieder beendet. Das Bike las die letzte Runenkarte ab, bog scharf nach rechts und donnerte durch die Labortür. Von nun an lief schief, was schieflaufen konnte. Anstatt beim Wiedereintritt in den höhlenartigen Raum wie vorgesehen die Bremsen zu betätigen und dann sanft und langsam auszurollen, ratterte das Gefährt mit Volldampf durch die Tür, raste unter dem Tisch durch und knallte mit scheußlichem Krachen gegen die Rückwand des Labors. Thaumatronisches Gerät ging klirrend zu Bruch, Praxx tobte.
Und während sich langsam der Staub legte, hörte Apathos das furchterregende Geräusch grausam knirschender Zähne: Praxx versuchte, sich aus dem zerklumpten Wrack herauszuwinden.
Eine Hand schoß aus dem Staubwirbel, packte Apathos am Hals, und: »Bremsen, hast du gesagt! Du hast gesagt, es würde bremsen und anhalten!« brüllte Praxx.
»Ja, sicher! Wenn es die Runenkarte da drüben sieht«, würgte Apathos und zeigte aufgeregt hinter sich.
»Etwa die, die da auf dem Tisch liegt?«
»Ja! Genau die!«
»Und wie soll es die sehen, wenn sie da oben liegt?« fauchte Praxx, dem Runibikerudimente aus dem Haar rieselten.
»Aha! Verstehe, was du meinst«, wimmerte Apathos.
Ein dumpfes Wummern hallte durch den Korridor, als Apathos’ Kopf wiederholt gegen die Tischplatte knallte …
Und wieder lachte der MAD-Spion leise vor sich hin. Er hatte eine überzeugende Demonstration gesehen: Dieses Runibike war Schrott. Es war von Anfang an Schrott gewesen. Es lohnte sich einfach nicht, an diesem Modell irgend etwas verbessern zu wollen.
Überwachtmeister Strappado keuchte. Er stand im hintersten, finstersten Winkel eines winzigen Gäßchens, nur wenige Meter vom Silbernen Spucknapf entfernt. Was deutlich zu riechen war. Er überprüfte, ob auch alles richtig saß: die falsche Nase, der falsche Bart, die Brille. Immer wieder suchten ihn die Bilder jener Nacht vor nunmehr zwei Jahren heim und schürten seinen Zorn. Das Wissen darum, was mit seinen lebenswichtigen Organen passieren würde, sollte man ihn erkennen, dieses Wissen schürte seine Angst. Er zitterte, wenn er daran dachte, daß irgend jemand im Spucknapf seine Maskerade durchschauen könnte. Überwachtmeister Strappado wußte genau, besorgniserregend genau, daß es unter der gesamten Stammkundschaft dieser berüchtigten Tränke nicht einen gab, den er nicht schon einmal in Ausübung seines Amtes als Ordnungshüter eigenhändig verhaftet hatte; daß es keinen gab, der nicht wenigstens einen Bruder gehabt hätte, den er irgendwann einmal verhaftet hatte; und daß es ganz bestimmt mindestens einen gab, der schon davon gehört hatte, daß er irgendwann einmal einen Hund festgenommen hatte, der dem Bruder irgendeines Bekannten gehört hatte … Es konnte äußerst unangenehm werden, wenn man ihm auf die Schliche kam.
Einen Augenblick lang bereute er, daß er nicht mit dem üblichen
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