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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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schüttelst du eigentlich die ganze Zeit den Kopf? Was ist?«
    »Äh … Nichts. Gar nichts. Alles bestens. Ha!« Wenn er gewußt hätte, daß er es mit einer Frau zu tun hatte, dann hätte das mit dem letzten Mantra ganz anders gemacht, vollkommen anders! Intranco wußte nur zu gut, was es bedeuten konnte, wenn man eine Person verwandelte, die das falsche Geschlecht hatte … Er kannte sie alle, diese Horrorstories von Frauen mit Damenbart … Er zitterte.
    »Was ist?« fuhr ihn Strappado an.
    »Äh … nichts … gar nichts. Mir ist nur ein wenig … äh … kalt. Das ist alles.«
    »Worauf wartest du dann noch? Mach schon!« Das Messer bohrte sich Intranco in den Nabel.
    »Ja gut, aber … Normalerweise mache ich so was ja hinter einem Wandschirm …«
    Strappados Gesichtsausdruck signalisierte ihm nachdrücklich, daß es im Augenblick wohl eher nicht angezeigt war, Wandschirme herumrücken zu wollen.
    Weshalb Intranco jetzt auch schleunigst die Formel eines Lösungszaubers zu murmeln begann. Hastig haspelte er den Text herunter, spuckte mit zungenbrecherischem Tempo Konsonant um Konsonant aus, Silbe um Silbe. Strappado ließ entsetzt die Kinnlade herunterfallen: Die Ziege zuckte krampfartig, meckerte und vollführte dann allerlei ausgefallene anatomische Kunststückchen: Die Beine streckten sich und wurden länger, und wie die Nasenlöcher schrumpften auch die Hörner zusammen und verschwanden mit einem leisen, schmatzenden Geräusch. Erst jetzt fiel dem Wirt auf, daß es zum ersten Mal seit Bestehen des Silbernen Spucknapfs vollkommen still war. Und das noch dazu nicht getrunken wurde! Kein Mensch konsumierte etwas, jeder starrte gebannt auf die Bühne, wo eben das Ziegenfell nach innen wanderte und unter der glatten Haut einer Frau verschwand.
    Das lüsterne Johlen, das Beifallsgebrüll, das jetzt beim Anblick der aufsehenerregend nackten Vif aus ungezählten Kehlen stieg, waren eine halbe Meile weit zu hören. Die versammelte Menge war einstimmig der Meinung, daß sich die Programmqualität urplötzlich erheblich gebessert hatte.
    Strappado riß sich den Umhang von den Schultern, war mit einem Satz bei seiner zitternden Frau und hüllte sie schleunigst ein – offensichtlich zur großen Enttäuschung des hochinteressierten Publikums. Dann drehte er sich um, blieb erstaunt stehen und starrte auf den Fleck, wo noch vor kurzem Der Große Intranco gestanden war.
    Der Überwachtmeister brüllte etwas hinreichend nicht Druckreifes, wollte losstürzen und hinter dem Zauberer her rennen, da fiel ihm auf, daß immer noch alle seine Vif anglotzten, die verwirrt auf der Bühne hockte und merkwürdig meckerte. Er konnte fast riechen, was der kurze Blick auf nacktes Fleisch bewirkt hatte, und brauchte nicht lang zu überlegen, was zu tun war. Er fuhr herum, zerrte sie von der Bühne und bolzte sich den Weg zur Tür frei – womit er nicht nur seine Frau, sondern auch seine Trommelfelle rettete. Nicht auszudenken, was diese feinen Häutchen erdulden hätten müssen, wenn er Vif einfach zurückgelassen hätte.
    Das alles lag jetzt zwei Jahre zurück, zwei Jahre, in denen ihm seine Frau das Leben zur Hölle gemacht hatte. Äußerlich sah Vif ganz normal aus, so normal, wie man es von jemandem erwarten durfte, der einmal in eine Ziege verwandelt worden war. Ansonsten aber … Es hatte sich schon sehr bald herausgestellt, daß eben nicht alles so war, wie es sein sollte. Vif hatte sich angewöhnt, eine Glocke um den Hals zu tragen, zu meckern, wenn etwas sie aufregte, und aus unerfindlichen Gründen ihre Behausung mit Stroh einzustreuen. Am schlimmsten aber war der Appetit, den sie entwickelt hatte. Strappado konnte gar nicht mehr zählen, wieviel Matratzen sie innerhalb der letzten vierundzwanzig Monate aufgefressen hatte. Und obwohl er ihr beim örtlichen Flickschuster Lederflecke zum Kauen besorgt hatte, mußte er Tag für Tag in extravaganten, mit frischen Beißspuren geschmückten Schuhen herumlaufen.
    Aber heute abend, nach nunmehr zwei Jahren, sollte Der Große Intranco für seinen verhängnisvollen Fauxpas büßen müssen. Wie konnte er sich auch unterstehen, sich noch einmal in Guldenburg blicken zu lassen!
    Strappado schäumte vor Wut. Angetan mit seinem feinsten Meuchelmörderkostüm trat er an die Bar des Spucknapfs, bestellte einen Krug Hexenhammer (eine Aktion, die ihm ein Déjà-vu-Erlebnis und eine Gänsehaut verschaffte) und setzte sich an einen Tisch vor dem Podium, genau in dem Moment, als die Lichter

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