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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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bauen, Herr General. Es ist nicht mein Abgrund, den wir überwinden müssen. Es ist allein Ihr Abgrund. Sie und Ihresgleichen haben ihn aufgerissen.« Johannes schluckte hart. Sein Mund war wie ausgedörrt. »Und nun fehlt Ihnen der Mut, ihn wieder zuzuschütten.«
    »Was soll das heißen?«
    Einen Augenblick lang zögerte Johannes. Er brauchte ein paar Sekunden, um den Satz auszusprechen, mit dem er sich unwiderruflich aus seinem bisherigen Leben herauskatapultieren würde.
    Doch dann kamen die Worte wie selbstverständlich über seine Lippen: »Unter diesen Umständen will ich nicht länger Soldat in der Bundeswehr sein, Herr General!«
    Aus dem Schwarzwald war nur ein überraschtes Atemholen zu hören, und Johannes flüsterte: »Ich kann es nicht.«
    Abendliche Dämmerung hatte sich über das Meer gelegt. Schon konnte man die ersten Lichter auf der dunklen Wasserfläche ausmachen, grüne und rote Positionslaternen und weiße Dampferlichter, die sich langsam über die See bewegten.
    Von oben klangen die Stimmen der beiden Frauen an sein Ohr, die sich auf Anhieb gut verstanden hatten und nun eine lebhafte, von fröhlichem Lachen begleitete Diskussion führten. Hin und wieder dröhnte auch Mehmets Organ dazwischen, der irgendwelche Kommentare abgab. Es hörte sich an, als stieße er, animiert durch die bloße Anwesenheit einer zweiten schönen Frau in seinem Hause, die kollernden Balzlaute eines Birkhahns aus.
    Johannes stand unter der Terrasse, mit dem Rücken an die Felssteinmauer gelehnt, und lauschte in sich hinein.
    Das war’s also.
    Unfassbar, was er da eben gesagt hatte – geradezu unwirklich.
    Nun, er hatte es gesagt, das stand fest. Und es war richtig.
    Aber es tat weh.

35
Oktober
Türkei
    Karen und Johannes genossen ihre Zeit im Ferienhaus in vollen Zügen, bei Tag und in den Nächten. Selten gingen sie aus. Ein paar Mal fuhren sie mit Ayses kleinem Auto, das sie dortgelassen hatte, zum Markt oder hinunter zum Hafen. Die meiste Zeit verbrachten sie miteinander im Haus, saßen später nebeneinander auf der Terrasse und sahen, Hand in Hand, in wohligem Schweigen auf das glitzernde Meer hinaus.
    Seinen Entschluss, den Dienst zu quittieren, diskutierten sie aus allen möglichen Blickwinkeln. So folgenschwer der Satz war, den er da gesagt hatte – es war der richtige Satz gewesen. Von Tag zu Tag wuchs in Johannes diese Einsicht.
    Doch wie ging es jetzt weiter?
    Mehmet nahm ihm rasch seine Sorgen. Er bot ihm eine Stellung in der Münchener Niederlassung seiner Firma an.
    »Du hast doch einen ordentlichen Diplom-Abschluss als Betriebswirt«, sagte er. »Das kann ich beurteilen – schließlich hast du den bei mir gemacht!«
    »Ja, aber mir fehlt die Praxis als Kaufmann«, wandte Johannes ein.
    Diese Bedenken wischte Mehmet mit einer unwilligen Handbewegung vom Tisch. »In ein paar Jahren wird mein dortiger Geschäftsführer in Rente gehen. Bis dahin kannst du viel von ihm lernen. Er ist ein hervorragender Kaufmann.«
    Karen nahm telefonisch mit Kliniken in München Kontakt auf.
    »Du glaubst doch nicht, dass ich eine Wochenendbeziehung mit dir eingehe, oder?«, sagte sie. »In irgendeinem Haus dort werde ich schon etwas Passendes finden.«
    Bevor sie zu ihrer Erprobungsfahrt mit Yilmaz’ neuer Yacht aufbrachen – einer fast sechzehn Meter langen, atemberaubend schönen Grand Soleil der italienischen Nobelwerft Cantiere del Pardo mit dunkelblauem Rumpf, Teakdeck und schneeweißen Aufbauten –, stellte Johannes den Brief auf seinem Netbook fertig und mailte ihn zu Paule nach Afghanistan. Ayse hatte ihn auf diese Idee gebracht. Und sie hatte recht damit.
    »Wenn du ehrlich bist, Jo«, sagte sie mehr als einmal, »dann kannst du nicht sicher sein, dass dieser Fürst da in Kunduz es nicht noch einmal versuchen wird. Der glaubt ja immer noch, dass du seinen Sohn getötet hast … «
    Also setzte er sich hin und schrieb alles nieder, was sich in der Höhle tatsächlich ereignet hatte. Dabei hielt er sich strikt an die Fakten, vermied jegliche Mutmaßung und zog vor allem keinerlei Schlussfolgerungen.
    Die würde der mächtige Mann am fernen Hindukusch selbst viel treffender ziehen können.
    Auf Paules Bitte hin erwähnte er auch Hedayats Namen nicht, sondern blieb in diesem Punkt eher vage. Dennoch war ihm klar, dass der Warlord nicht lange brauchen würde, um eins und eins zusammenzuzählen.
    Nun würde Paule den Brief ausdrucken und dafür sorgen, dass er in der Residenz des Provinzfürsten abgegeben wurde. Und

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