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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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er über die Schulter.
    Da waren sie wieder. Zielstrebig kamen sie auf ihn zu. Johannes umklammerte die Henkelgriffe seiner Taschen und blickte sich hilfesuchend um.
    Nirgends ein Polizist zu entdecken.
    Niemand nahm Notiz von ihm.
    Ruhig jetzt – einfach stehen bleiben. So leicht ließ er sich nicht beklauen!
    Als sie ihn erreicht hatten, gingen die beiden Bunthemden schweigend an ihm vorbei, ohne ihn überhaupt zu beachten, überquerten die breite Zufahrtsrampe und verschwanden auf der anderen Seite zwischen den Reisebussen.
    Und er war sich so sicher gewesen, dass die Burschen etwas im Schilde führten.
    Verfolgungswahn. Kommt davon, wenn man zu lang in der Hand von Psychiatern ist …
    Höchste Zeit, sich wieder an ein normales Leben zu gewöhnen!
    Mit einem tiefen Seufzer holte er sein Mobiltelefon aus der Hemdtasche, schaltete es ein und wartete ein paar Augenblicke darauf, dass es sich in das türkische Netz einloggte. Gerade wollte er Mehmets Nummer aus dem Kurzwahlspeicher aufrufen, da rauschte auch schon ein staubbedeckter silberfarbener S-Klasse-Mercedes heran, zwängte sich zwischen die wartenden Taxis und hielt am Bordstein direkt vor ihm.
    Mehmet Görgün, bärtig, dick und gutgelaunt wie eh und je, ließ den Motor einfach laufen und sprang heraus. Das Jackett seines hellgrauen Maßanzuges hatte er im Wagen gelassen, aber die elegante Seidenkrawatte war trotz der Hitze perfekt um den Kragen seines makellos weißen Hemdes gebunden.
    » Hoçgeldiniz, Jo!«, rief er aufgeräumt und kam mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. »Hab dich schon gesehen, als du aus dem Terminal gekommen bist«, fügte er in akzentfreiem Deutsch hinzu. In sehr bayerisch gefärbtem allerdings, stellte Johannes amüsiert fest. Kein Wunder: Mehmet war gebürtiger Münchener. Erst seit ein paar Jahren lebte er hier im Land seiner Vorfahren.
    Sollte er Mehmet von den beiden Bunthemden erzählen?
    Der würde ihn sicher auslachen.
    Stattdessen brachte er gerade noch ein »Schön, wieder hier zu sein« heraus, bevor er von seinem alten Freund in die Arme genommen wurde. Es wurde ihm warm ums Herz bei dieser Begrüßung.
    »Du hast mir sicher viel zu erzählen«, sagte Mehmet. »Aber lass uns losfahren. Im Auto ist ’s schön kühl, und bis Ayvalik haben wir viel Zeit zum Ratschen.«
    Die Taschen verschwanden im Kofferraum, sie stiegen ein und Mehmet zündete sich eines seiner gefürchteten Zigarillos an, deren Rauch nach alter Matratzenfüllung roch. Fröhlich paffend legte er einen schwungvollen Start auf den heißen Asphalt.
    Die Klimaanlage war eine Wohltat. Johannes lümmelte sich entspannt in den bequemen Sitz, streckte seine langen Beine aus und blickte aus der Seitenscheibe. Vorbei an den tristen Hochhaus-Neubauten, die im Süden der Millionenstadt in den letzten Jahren entstanden waren, ging es vom Adnan-Menderes-Flughafen zunächst auf dem Izmir Cevre Yolu nach Osten.
    Wie oft war er diesen Weg wohl schon gefahren?
    Izmir war der ideale Zielflughafen fürs Segeln in der Ägäis. Die hoffnungslos überfüllten Häfen von Bodrum oder Marmaris im Süden, in denen man bis in den letzten Winkel nächtelang mit Lärm aus den Diskotheken beschallt wurde, hatte er immer gemieden.
    Johannes segelte seit seiner Jugend. Ein Lehrer, selbst passionierter Segler, hatte das Kunststück vollbracht, seine Schüler davon zu überzeugen, auf der Klassenfahrt einen Segelkurs zu machen. Damals waren sie dreizehn Jahre alt und keineswegs alle von dieser Idee begeistert. Klang alles doch sehr nach Schule …
    Doch für immer würde er das Glücksgefühl in seinem Herzen haben, das ihn unvermittelt überfiel, als zum allerersten Mal auf der Flensburger Förde das Tuch am Mast der Jolle vom frischen Ostseewind gefüllt wurde und er, die Großschot in der Hand, die Ruderpinne so legte, dass das kleine Boot auf einen strammen Am-Wind-Kurs drehte und Fahrt aufnahm.
    Regelmäßig verbrachte er danach seine Sommerferien in Glücksburg an der Hanseatischen Yachtschule.
    Süße Erinnerungen an abendliche Fahrten mit dem Folkeboot auf der Förde – und an Angelika. So um die sechzehn Jahre alt waren sie da.
    Seine erste Liebe – die Erinnerung an sie war mit den Jahren verblasst. Bis heute aber hatte er ihren wunderbaren Geruch in der Nase.
    Niemals wieder hatte jemand so gut gerochen wie Angelika.
    Nach wenigen Kilometern erreichten sie die Abzweigung auf die E 87 Richtung Ayvalik. Die Görgüns besaßen in der Nähe der kleinen Stadt ein Ferien- und

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