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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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meist verleugneten Wunsches nach Liebe. Der Größenselbst-Narzisst lässt sich in der Regel daran erkennen, dass er sich cool, souverän und unabhängig gibt, seine Bedürftigkeit und seine Abhängigkeitswünsche hingegen verleugnen muss, um die äußere Fassade um einen labilen inneren Kern herum aufrechterhalten zu können. Aber Erfolge, Anerkennung und Lob für hervorragende Leistungen können den frühen Liebesmangel nicht wirklich stillen. Das Feiern der Realerfolge verdeckt nur das unstillbare Bedürfnis nach grundsätzlicher narzisstischer Bestätigung. So wirken die Siege wie eine Droge, die Rausch ermöglichen, doch die Katerstimmung der Ernüchterung folgt ihnen auf dem Fuße und nötigt zu erneuten Bemühungen, um die Illusion zu verlängern und dabei die Erschütterung durch Erkenntnis zu vermeiden, welche zwar schmerzvoll, aber heilsam wäre. Und wie bei allen Suchterkrankungen müssen die Drogen (hier die Leistungen, Bemühungen und Anstrengungen) immer weiter gesteigert werden, um die mit der Zeit und infolge von Gewöhnung abklingende Wirkung zu bewahren.
    Häufig schlägt sich der Narzissmus in der Vorstellung eines optimalen Körpergewichtes oder einer idealen Körperform nieder, welche niemals erreicht werden können. Die sogenannte «Dysmorphophobie» – als eine ständige Angst, nicht die gewünschte Körperform zu haben – befällt auch Menschen mit normalen, eigentlich unauffälligen Körperformen; kein Fremder kann dann die Not der narzisstischen Fehlbewertung nachvollziehen. Nahezu tragisch wird es, wenn hübsche junge Mädchen glauben, sie müssten irgendetwas an ihrem Körper chirurgisch verändern lassen, um glücklicher und zufriedener zu werden. Bevor Chirurgen diesbezüglich ihre fragwürdigen Dienste verrichten, sollte eine psychodynamische Diagnose des operativen Begehrens verpflichtend sein. Ohne Verständnis für die zugrunde liegende narzisstische Störung und ohne Abreaktion der zugehörigen aufgestauten Affekte verpuffen auch eine gesündere Lebensweise oder selbst operative Korrekturen wirkungslos. Das ewige Bemühen, etwa an Gewicht zu verlieren, mit dem Rauchen aufzuhören oder auch weniger Alkohol zu trinken, eignet sich ganz hervorragend dazu, die narzisstische Not in äußeren (endlosen) Anstrengungen auszuagieren. Deshalb kann (und darf) den entsprechenden Bemühungen häufig auch gar kein wirklicher Erfolg beschieden sein. Und tritt er doch ein, entsteht sofort das Problem, ein neues Agitationsfeld zu finden, um der narzisstischen Bedürftigkeit ein anderes Laufrad zur Verfügung zu stellen.
    Die individuelle Not besteht vor allem darin, dass die Sehnsucht nach grundsätzlicher Bestätigung, die nur geschenkt, aber nicht erworben werden kann, zu einer lebenslangen Suche führt, ohne der seelischen Not je entkommen bzw. zufriedene Selbstgewissheit erleben zu können. Nur manchmal reaktiviert die Freude über einen Erfolg die unterdrückte und unerfüllte Bedürftigkeit der Seele, was sich dann in einem Ausbruch äußert, der fälschlicherweise als «Freudentränen» bezeichnet wird. Es sind aber die unterdrückten Tränen der nie erfahrenen Liebe, die im Zustand der Euphorie Ausdruckslücken in der sonst sorgsam gepflegten Maske cooler Souveränität und scheinbarer Selbstsicherheit finden. Der Stolz des Siegers nährt den Sekundär-Narzissmus, das Kostüm des Glücks, das alle Mängel und Gebrechen schmückend zu verkleiden versteht. Man mag sich im Spiegel gefallen, das Herz aber wird dadurch nicht erwärmt. Damit der auf der Bühne umjubelte Star später im Hotelzimmer nicht unter dem zurückkehrenden Gefühl der eigenen Erbärmlichkeit zu leiden hat, greift er zu Alkohol, Drogen oder Sex mit dem Ziel, sich zu betäuben.

Die unvermeidbaren sozialen Konflikte
    Der Größenselbst-Narzisst muss nach oben streben, er braucht die Geltung, das Ansehen und die Anerkennung wie die Luft zum Atmen. All sein Tun ist darauf gerichtet, sich Bedeutung und Wichtigkeit zu verschaffen. Man will gesehen werden, beachtet und geachtet sein, respektiert werden und möglichst noch Sonderrechte genießen. So finden sich narzisstisch bedürftige Menschen besonders häufig in herausgehobenen sozialen Positionen.
    Die soziale Welt lässt sich leicht in Führer und Mitläufer, in Dominante und Abhängige, in Expansiv-Narzissten und deren Verehrer und Bewunderer aufteilen. Dieses vereinfachte Sozialbild wird Widerspruch hervorrufen, insofern es Individualität und Freiheit ignoriert. In der

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