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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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Tat ist richtig, dass die persönlichen Ausdrucksformen aktiver oder passiver Bemühungen, das narzisstische Defizit zu füllen, so individuell sind wie auch die betreffenden Menschen. Doch das Zusammenspiel von narzisstisch geprägtem Geltungsanspruch und konarzisstischer Bestätigung prägt die allermeisten Beziehungen. Die Kollusion wechselseitiger Selbstobjekt-Verwendung zwischen Bewundertem und Bewunderer, Führer und Gefolgschaft, zwischen dem, der das Sagen hat, und dem, der sich gerne alles sagen und erklären lässt, ist fast überall zu finden, auch wenn es im Grunde das Gegenteil einer wirklich partnerschaftlichen Beziehung «auf Augenhöhe» ist. Die meisten Paare funktionieren nach dem narzisstischen Kollusionsprinzip; auch Freundschaften leben davon, dass meistens einer den aktiven Part übernimmt und die Ideen entwickelt, die der andere dann gerne annimmt. Bei jedem Zusammentreffen mehrerer Personen führt einer das Wort und die anderen sind dankbare Zuhörer. Mitunter entstehen Konkurrenzen und eine Doppel- oder sogar Mehrfachführung; dies aber provoziert zwangsläufig Konflikte, die so lange anhalten, bis entweder die Gemeinsamkeit zerstört ist oder sich doch einer durchgesetzt hat. Konkurrierende Narzissten kämpfen eine Weile und der Schwächere zieht sich schließlich zurück – das ist nicht viel anders als bei balzenden und röhrenden Tieren, die um Weibchen kämpfen oder ihr Revier verteidigen.
    Der Narzisst braucht Sekundärbestätigung, mit ständiger Kritik kann er schwer leben, aber als Verlierer darf er nicht vom Platz gehen, sonst bricht die mühsam aufgebaute Abwehr zusammen und alle kompensierenden Bemühungen drohen ihren Wert zu verlieren. So wird auch das peinliche Verharren auf längst verlorenem Posten erklärbar, wie es etwa bei Karl Theodor zu Guttenberg oder Christan Wulff zu beobachten war. In der Regel meidet der Narzisst jedes soziale Feld, in dem er nicht ausreichend zur Geltung kommt. Ein siegreicher Konkurrent wird gerne abgewertet und aufgrund irgendwelcher realer oder erfundener Schwächen und Fehler in Misskredit gebracht, um den eigenen Schein aufrechtzuerhalten. So wird auch verständlich, dass eine Partnerschaft bzw. freundschaftliche Beziehung zerbricht oder eine Gruppenzugehörigkeit aufgekündigt wird, wenn die soziale narzisstische Regulation der Anerkennung nicht mehr ausreichend gelingt oder die Beziehungspartner sich in eine Richtung entwickeln, in der man sich vom Weiterbestehen keine «Erfolge» mehr für das Größenselbst oder Größenklein verspricht. Der häufigste Trennungsgrund in einer Partnerschaft und in allen anderen sozialen Beziehungen besteht darin, dass die benötigte Anerkennung nicht mehr ausreichend erfolgt, mit anderen Worten das narzisstische Regulationsbedürfnis nicht mehr ausreichend gut befriedigt wird.
    Der Narzisst fühlt sich eben nur dort wohl und geht nur dorthin, wo er auch ausreichend gesehen und gewürdigt wird. Wenn die Bestätigung ausbleibt oder sogar Ablehnung zu befürchten ist – der labile Selbstwert hat hochempfindliche Wertschätzungsantennen entwickelt, um einer möglichen Kränkung rechtzeitig vorzubeugen –, dann zieht sich der Narzisst lieber zurück. Vor allem dann, wenn er zu der Einschätzung gelangt, dass auch besondere Anstrengungen, zur Geltung zu kommen, in diesem Fall erfolglos bleiben werden, sei es, weil die Konkurrenz zu groß ist, weil die spezifischen Fähigkeiten, die er einbringen könnte, gerade nicht gebraucht werden bzw. passen oder weil das potentielle Publikum mit anderen Problemen beschäftigt ist und sich nicht zur Selbstobjektverwendung manipulieren lässt. So reduzieren sich die sozialen Kontakte gemäß der narzisstischen Bedürftigkeit und werden nur noch dort gepflegt, wo entsprechende Anerkennung gesichert ist.
    Das Ausmaß der narzisstischen Bedürftigkeit ist stets abhängig vom Grad des primären (frühen) Bestätigungsmangels und der Möglichkeit von dessen Kompensation. Je größer der frühe Mangel, desto umfangreicher müssen die Kompensationsbemühungen werden. Der Narzisst ist der großartige Unterhalter oder der gefürchtete Nörgler und Besserwisser, er ist der Aufreißer oder der Fliehende. Er selbst teilt die Menschen ein in solche, die für das eigene Ansehen nützlich, und solche, die dafür nicht brauchbar sind – und im letzteren Fall erfolgen Abwertung und Rückzug. Durchzuhalten, auszuhalten, sich anzupassen, nachzugeben, sich ein- und umzustellen oder sich

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