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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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verdeutlichen, verstehen wir auch die dazu passenden Kompensations- und Ablenkungsformen zur notwendigen narzisstischen Regulation.
     
    Durch
Mutterbedrohung
wird die Existenz des Kindes grundsätzlich in Frage gestellt. Die indirekt übermittelte oder offen feindselige Ablehnung des Kindes bedeutet höchste Lebensbedrohung, gegen die das Kind ein Gegenmittel finden und entwickeln muss, um sein Überleben zu sichern. Anfangs mögen es schwere psychosomatische Erkrankungen sein – etwa Neurodermitis, Asthma bronchiale, häufige Infekte mit schweren Verläufen und Komplikationen, Nahrungsunverträglichkeiten, die sich als ernste Hinweise auf stressbedingte körperliche Reaktionen mit überschießender Abwehr oder geschwächtem Immunschutz verstehen lassen. Die Erkrankung inszeniert die seelische Not und fordert Versorgung. Später machen Verhaltensstörungen, Schulschwierigkeiten, Weglaufen, aggressive Impulsdurchbrüche, frühzeitige Alkohol- und Drogenprobleme und Selbstverletzungen auf die verzweifelten Bemühungen des heranwachsenden Kindes aufmerksam, der innerseelischen Traumatisierung einen Ausdruck zu verschaffen und Hilfe herbeizuholen. Die deutliche Aggression – in Form von Selbstverletzung oder von Gewalt gegen andere – dient der narzisstischen Regulation, mit dem Ziel, sich zu wehren, die eigene Existenz zu verteidigen, sich Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erkämpfen und durch den notwendigen Abwehrpanzer doch noch etwas zu fühlen. Der Schmerz der Selbstverletzung ist gewissermaßen der letzte Versuch, den abgespaltenen Gefühlen, der seelischen Erstarrung durch die erlittene Bedrohung eine Ausdrucksmöglichkeit zu verschaffen. In solchen Fällen können sogar autoritäre Einengung und Disziplinierung – wenn sie nicht die Ablehnung fortsetzen – zu einer hilfreichen Erfahrung werden. Das zeigt sich etwa an der durch Frühbedrohung verursachten Borderline-Störung. Sie bedeutet ein erhebliches Strukturdefizit: Das Kind konnte keine innere Existenzsicherheit, keine Lebensberechtigung und Entwicklungsorientierung erfahren und zu seinem inneren Besitz machen; deshalb kann später jede ernst gemeinte Forderung einer wohlwollenden Person zur hilfreichen Orientierung werden. Nicht selten musste ich in Therapien auch zur Kenntnis nehmen, dass selbst Prügel, mit denen ein bestimmtes Verhalten ehemals erzwungen worden war, noch als hilfreich erlebt wurden, auf jeden Fall besser als Nichtbeachtung und völliges Desinteresse.
    Muttermangel
ist die wesentliche Ursache für narzisstische Störungen. Mit «Muttermangel» ist sowohl die reale Entbehrung guter und ausreichender Mütterlichkeit gemeint, wenn Mütter – aus welchen Gründen auch immer – zu wenig Zeit für ihre Kinder haben. Die Bedürfnisse des Kindes können keine Rücksicht darauf nehmen, ob die Mutter arbeiten gehen muss oder ihre Karriere pflegen will. Noch wichtiger aber ist die innere Einstellung der Mutter zum Kind, ob sie ihr Kind wirklich annehmen und lieben kann, so wie es das Kind braucht – bedingungslos. Das ist sehr vielen Müttern aus eigener unerfüllter früher Bedürftigkeit häufig nicht mehr möglich. Die Ursachen und Folgen frühen Muttermangels sind das zentrale Thema dieses Buches.
    Muttervergiftung
meint, dass das Kind im Wesentlichen nur dann Bestätigung und interessierte Zuwendung erfährt, wenn es so ist, wie die Mutter es sich wünscht, und wenn es ihre Erwartungen und Vorstellungen an seine Existenz gut erfüllt. Das bedeutet fast immer Selbstentfremdung, denn es ist praktisch ausgeschlossen, dass ein Kind – in seiner je einmaligen Existenz und als ein Vertreter der nächsten Generation – genau so ist und sich entwickelt, wie es der Mutter gefällt. Die narzisstische Bestätigung des Kindes wird in diesem Fall also an Bedingungen geknüpft, die die Mutter bewusst oder unbewusst stellt. Das führt häufig dazu, dass das heranwachsende Kind seine Anpassung an die Vorstellungen der Mutter gar nicht mehr als Problem wahrnimmt; denn es erfährt ja umso mehr Bestätigung, je besser es sich den mütterlichen Wünschen anschließt. Die narzisstische Regulation wird also von der Selbstwahrnehmung auf eine Fremdwahrnehmung verlagert. Am Anfang fordert die Mutter noch und straft gegebenenfalls auch durch Nichtbeachtung, bis im Laufe der Zeit ihre Mimik und Gestik, ihr Blick und Tonfall schon ausreichen, um das Kind spüren zu lassen, was ihr gefällt oder nicht.
    Die Außenorientierung ist eine hervorragende

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