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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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Tochter praktisch fallen. Für sie bedeutete das eher eine Befreiung aus dem strengen Leistungskorsett, das ihr zwar narzisstische Zufuhr gebracht hatte, aber für ihr Leben nicht existenziell war. Sie verließ den Sport, qualifizierte sich als Betriebswirtin und machte mit ihrer antrainierten Leistungsbereitschaft eine ansehnliche Karriere, die sie mit Hilfe therapeutisch gewonnener Einsicht später sogar zugunsten von Partnerschaft und Mutterschaft in befriedigender Weise zu begrenzen lernte.
    Die Leistungsorientierung bei Vatermissbrauch lässt sich mit zunehmendem Alter relativieren, ohne dass ein existenzieller Einbruch drohen muss. Dann geht nur eine Kompensationsmöglichkeit verloren, die durch andere ersetzt werden kann. Anders als bei Muttermangel, angesichts dessen nur fortgesetzte Anstrengungen beruhigen, die Suchtcharakter annehmen, ist hier die Erinnerung an vergangene Erfolge noch narzisstisch wirksam.
    Gute Väterlichkeit kann stark dazu beitragen, die aus Muttermangel herrührenden narzisstischen Strukturdefizite zu stabilisieren. Die Väterlichkeitsstörungen hingegen erschweren alle Regulationsbemühungen, die mit mangelnder Mütterlichkeit zu tun haben, zusätzlich und belasten mit ihren spezifischen Folgen die narzisstischen Regulationsmöglichkeiten.
    Die unterschiedlichen Anteile der jeweiligen guten wie schlechten Mütterlichkeit und Väterlichkeit begründen die individuellen Regulationsformen der narzisstischen Störung. Wollte man eine Rangliste der größten Schwierigkeiten der narzisstischen Regulation aufstellen, dann würden die Formen des Muttermangels, die noch von Väterlichkeitsstörungen verstärkt werden, den ersten Platz einnehmen; noch am ehesten zu bewältigen sind Väterlichkeitsstörungen bei guter Mütterlichkeit.

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    15 Durch Narzissmus beförderte Erkrankungen
    Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine eigenständige psychosoziale Erkrankung. Schon geringer ausgeprägte narzisstische Störungen befördern die Entwicklung und Ausgestaltung anderer Erkrankungen. Zum besseren Verständnis dieser Zusammenhänge müssen wir uns vom vorherrschenden Ansatz in der Medizin verabschieden, nach einer einzigen Ursache zu forschen, die dann das gesamte Krankheitsbild erklären soll. Dieses monokausale, reduktionistische Krankheitsverständnis hat die Medizin vielfach in eine Sackgasse geführt und hat wesentlichen Anteil an einem falschen Verständnis vom menschlichen Kranksein mit entsprechenden Fehlbehandlungen. Einige Beispiele: Bei Infektionserkrankungen werden Bakterien oder Viren als Verursacher identifiziert, Allergien werden durch allergene Stoffe provoziert, Gastritis entsteht durch Übersäuerung des Magens, der Herzinfarkt ist die Folge einer Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen. Aber es ist nicht ausreichend geklärt, warum die einen an einer spezifischen Infektion schwer, andere nur leicht und einige gar nicht erkranken. Bestenfalls erfolgt ein Hinweis auf die Schutzfunktion des Immunsystems. Nur selten geht die Analyse tiefer. Warum ist das eine Immunsystem stark, ein anderes schwach? Vielleicht erfolgt noch ein Hinweis, dass Stressfaktoren das Immunsystem geschwächt haben. Aber warum hat dieser Mensch Stress oder wie macht er sich Stress? Bei allen Erkrankungen muss man weiterfragen: Weshalb wirken bei diesem Menschen bestimmte Stoffe allergisch, warum hat ein anderer eine Arteriosklerose entwickelt? Man kennt inzwischen sogenannte Risikofaktoren für hohen Blutdruck und Arteriosklerose, etwa Bewegungsmangel, falsche Ernährung (zu fett, zu süß, zu viel), Rauchen, Stress. Bestenfalls wird der Ratschlag erteilt, sich mehr zu bewegen, die Ernährung umzustellen, das Körpergewicht zu reduzieren, mit dem Rauchen aufzuhören. Doch sehr häufig wird der gut gemeinte Rat nicht befolgt, kann auch gar nicht befolgt werden, weil die Gründe für das Risikoverhalten nicht verstanden und aufgelöst werden. Dass die Art, sich zu bewegen oder nicht zu bewegen, sich zu ernähren und beispielsweise zu rauchen, etwas mit individuellen Problemen und sozialen Einflüssen zu tun hat, wird dabei übersehen und vernachlässigt. Denn in diesem Fall wäre nur ein Rat wirklich hilfreich, nämlich die persönlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls radikal zu verändern. Damit aber landen wir bei Zusammenhängen, wie sie etwa durch narzisstische Störungen bedingt sind, die sich nicht einfach abstellen

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