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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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ein und ist den Betreffenden, darunter erfolgreiche Wissenschaftler, rhetorisch versierte Politiker und Manager, nicht anzumerken. Erst im Nachhinein, bei eingetretenem Desaster, in der Krise und nach der «bedingungslosen Kapitulation» oder den zerstörerischen Auswirkungen bisher angepriesener Erfolgsmodelle, wie wir sie zurzeit etwa bei der Atomenergie erleben, fällt der narzisstisch verursachte Nebel und für kurze Zeit wird Klarsicht möglich, bevor eine neue verleugnende Kompensation gefunden wird. So muss etwa auch ein Land wie Italien erst kurz vor dem finanziellen Staatsbankrott stehen, bis erkannt und zugegeben wird, dass das Land viele Jahre von einer narzisstisch schwer gestörten Persönlichkeit, nämlich Berlusconi, geführt worden ist. Doch man sollte Berlusconi nicht allzu schnell zum alleinigen Sündenbock erklären. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass er mehrheitlich in die Führungsfunktion gewählt worden ist. Sein Rücktritt allein beseitigt deshalb noch lange nicht die Gefahren und Folgeschäden einer narzisstisch geprägten Gesellschaft.
    Machogehabe, Stärkekult, Zwang zum Siegen, gnadenloser Konkurrenzkampf, Wachstumsfetischismus und eine gierige Finanzwirtschaft sind Ausformungen narzisstisch-männlicher Kompensation. Dies gilt natürlich auch im Kleinen: Der Familienpascha, der autoritäre Vater, der dominante Partner sind «klassische» Rollen für männliche Narzissten. Die berufliche Karriere, die neueste Technik, das größere Auto, die besondere Wohnung oder das Eigenheim, weite Reisen und ein gut gefülltes Bankkonto sind häufige männliche Attribute und Ziele, um narzisstische Minderwertigkeit zu übertünchen. Die männlich gestaltete Gesellschaft hat zwangsläufig Suchtcharakter.
    Der von den gesellschaftlichen Verhältnissen geförderte weibliche Narzissmus bezieht sich vor allem auf ein Schönheitsideal, das sich hervorragend für alle Ersatzbemühungen eignet, da es kaum wirklich zu erreichen ist. Sehr viele Frauen tragen ihr narzisstisches Defizit zu Markte: Mode, Kosmetik und Diäten sind ein Milliardengeschäft mit der narzisstischen Not der Frauen. Die erhoffte Anerkennung klebt an Markenklamotten, sie wird vom kosmetisch erreichten Schein erhofft und in aller Regel im hoffnungslosen Kampf um die Idealfigur gesucht. Dabei ist das Irrationale ausschlaggebend: als ob allein die Kleidung eine Frau attraktiv machen würde. Die aktuelle Mode definiert das Aussehen, ob sie nun der einzelnen Frau steht oder nicht. Die Falten werden mit Botox weggespritzt, die Brüste mit Silikon operativ aufgepolstert und die Haare wegrasiert in der Illusion, auf diese Weise schöner auszusehen. Im ewigen Kampf um die Figur wird um jedes Pfund gerungen, als ob das Körpergewicht Lebensfreude bringen oder sogar Lebensberechtigung bedeuten würde. Diätwahn, Anorexie, Bulimie und Adipositas sind Ausdrucksformen des hilflosen narzisstischen Kampfes um Selbstwert und Selbstbestätigung. Egal, wie das reale Gewicht ausfällt, es ist zu viel oder zu wenig, aber nie richtig. Hauptsache, man kann einen ständigen Kampf mit kurzen Erfolgen und häufigen Misserfolgen führen, um eine Beschäftigung zu haben, die von der eigentlichen Störung ablenkt.
    An Nachhaltigkeit ist der Misserfolg dem Erfolg in dieser Hinsicht sogar überlegen, denn Erfolg macht müde und wird allmählich langweilig, Misserfolg hingegen bleibt ein ewiger Stachel für weitere Bemühungen, ein sicherer Hort für Ärger und eine Abschussrampe für Schuldprojektionen. Unaufhörliche Anstrengung, Scheitern und Stellvertreterkrieg – das ist die Trias narzisstischer Abwehr.
    Wir haben vergessen, dass Schönheit, Attraktivität und sexuelle Ausstrahlung auf innerseelische Prozesse zurückgehen und mit narzisstischer Sättigung zu tun haben. Der Mensch, der mit sich im Reinen ist, der sich – ohne Hysterie – als liebenswert empfindet, der mit sich selbst zufrieden ist, der strahlt auch von innen, zieht Aufmerksamkeit auf sich und provoziert geradezu Zuwendung. Aber ein solcher Mensch wird für andere auch leicht zur Bedrohung, er ist eine Erinnerung an den eigenen Makel und wird deshalb gerne gemieden und, wenn es sein muss, bekämpft.

[start]
    14 Narzisstische Regulationsformen in der Folge von Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen
    Wenn wir von den wesentlichen Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen in der Frühbetreuung von Kindern ausgehen und uns ihre spezifischen Belastungen für das Kind

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