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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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Vaterflucht dieser Ehrgeiz meistens aus und der narzisstische Ersatz wird in weiteren Versorgungserwartungen ausgelebt. Damit kann man der Mutter und später den Versorgungssystemen erheblich zur Last fallen. Fällt der vor allem durch gute Väterlichkeit geprägte gesunde Ehrgeiz aus, wird die narzisstische Versorgung durch kultivierte Bequemlichkeit und Leistungsverweigerung gesichert.
    Vatermissbrauch
meint, dass die Kinder zum Stolz des Vaters erzogen, im Grunde dazu getrimmt werden. Er ermöglicht eine in der Leistungsgesellschaft weitverbreitete narzisstische Kompensation, die in aller Regel mit viel Qual, Angst und unendlichen Anstrengungen verbunden ist. Um beim Vater zu Ansehen zu kommen, muss man besondere Leistungen bringen. Also wird geübt, trainiert, gekämpft, konkurriert, gegebenenfalls auch getrickst unter Einsatz unlauterer Mittel und kleiner Betrügereien. Es geht um Höchstleistungen. Die erreichbaren Erfolge sind dann der kurze Trost für lange, qualvolle Mühen, der schon bald wieder durch neue Anstrengungen gesichert bzw. neu errungen werden muss. Leistungssport ist die beste narzisstische Regulation bei Vatermissbrauch, aber auch alle anderen Wettbewerbsziele eignen sich in diesem Fall zur narzisstischen Bestätigung – zur Kompensation und Ablenkung in Form von permanenten Anstrengungen.
     
    Zwischen den Mütterlichkeits- und den Väterlichkeitsstörungen gibt es hinsichtlich der narzisstischen Regulation qualitative Unterschiede. Insbesondere Mutterbedrohung und Muttermangel sind verantwortlich für erhebliche narzisstische Strukturdefizite, bei deren Regulation es ums Überleben, um prinzipielle Berechtigung und Anerkennung geht. Deshalb sind hier alle Regulationsbemühungen existenziell bedeutungsvoll; durch erschwerte bzw. gestörte Kompensation kommt es zu schwerwiegenden Folgen für die eigene Gesundheit und das soziale Zusammenleben.

Fallbeispiel Muttermangel
    Anette war als drittes Kind ihrer Eltern im Grunde nicht mehr erwünscht und wurde auch dementsprechend behandelt. Die Mutter gab sie noch im ersten Lebensjahr in eine Wochenkrippe zur Fremdbetreuung, da ihr das berufliche Fortkommen in der Verwaltung eines Großbetriebes zur eigenen narzisstischen Bestätigung wichtiger war. Die größeren Kinder waren ihr bereits durch Kindergarten und Schulhort abgenommen. Anette erinnert eine für ihr Schicksal bezeichnende Szene: Als sie fiebernd erkrankt war und die Mutter deshalb nicht zur Arbeit gehen konnte, hörte sie die Mutter am Telefon u.a. sagen: «Ja, die ist ein richtiger Klotz am Bein!» Das war für sie wie ein Fluch, dem sie unbedingt entkommen wollte, weshalb sie Hilfsdienste für die Mutter und Leistungserfolge zum Maßstab ihrer Lebensberechtigung machte.
    In der Schule erwarb sie sich – zwölfjährig – eine erste große narzisstische Bestätigung, als gemalte Bilder von ihr in der ganzen Schule ausgestellt und ihre zeichnerische Begabung öffentlich gemacht wurden. Sie hatte sich Aufmerksamkeit und damit Berechtigung erarbeitet. Aber ihre Freude und der Stolz darüber wurde durch Ängste getrübt, was wohl aus ihr werden würde, wenn sich keiner mehr für ihre Zeichnungen interessierte. Später knüpfte sie ihre Lebensberechtigung an berufliches Ansehen (wie ihre Mutter), das sie sich als Ärztin vor allem auch durch die Hilfsbereitschaft für andere Menschen verdiente (sie wollte auf keinen Fall mehr «ein Klotz» sein!). Zur Therapie kam sie mit «Überforderungssymptomen»: Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Rückenbeschwerden und depressiver Verstimmung.
    So werden Muttermangel wie Vatermissbrauch bevorzugt durch Leistungsorientierung kompensiert. Bei Muttermangel hat der Ehrgeiz jedoch existenzielle Bedeutung, denn bei Versagen oder bei Verlust der Kompensationsmöglichkeiten droht der Untergang, also absolute Verzweiflung, Panik, die gefühlte Unmöglichkeit weiterzuleben – bis hin zur Suizidalität.

Fallbeispiel Vatermissbrauch
    Der Vater der Handballerin war auch ihr Trainer, der seine Tochter nur unter Leistungsgesichtspunkten beurteilte. Er war emotional relativ kalt, unempathisch, nur an ihren sportlichen Leistungen interessiert. Dreimal wöchentlich vier bis fünf Stunden Training, das war der Mittelpunkt ihres Lebens. Sie brannte nicht gerade für den Sport, hatte aber auch keine anderen Interessen oder Hobbys. Als die Mannschaft, in der sie spielte, aus der Liga abstieg, wandte sich der enttäuschte Vater anderen Trainingsaufgaben zu und ließ die

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