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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sie ihr Henkelglas, wandte sich dem aufgrund seiner Kühnheit ein bisserl verlegenen Nechyba zu und sagte: »So da, Herr Joseph! Jetzt nehmen Sie Ihr Glas in die Hand und stoßen mit mir an. Dann geben Sie mir ein Busserl und sagen Du zu mir!«
    Der Tonfall war dem Inspector vertraut. Klare und deutliche Anweisungen. Damit konnte er umgehen. Er schlug im Geist die Hacken zusammen, nahm sein Glas, stieß mit der neben ihm sitzenden Frau an und nahm einen kleinen Schluck. Dann küsste er sie mit einer Vehemenz, dass es ihr fast den Atem verschlug. Darauf spülten beide mit einem kräftigen Schluck nach. Nechyba musste die soeben gewonnene Intimität sofort auskosten: »Liebe Aurelia … weißt … du machst mich sehr glücklich … Ich habe nämlich fast schon ein bisserl Angst gehabt, dass du mich halt nur gern hast. Aber nicht so richtig magst …«
    »Du Tschapperl 78 !«, lachte die Litzelsbergerin, »glaubst du, dass ich einen, der was mir nicht unter die Nase geht, dass ich so einen dauernd zu mir in die Küche lass?«
    Dieses Argument leuchtete Nechyba ein. Nun zögerte er auch nicht länger, legte behutsam seinen Arm um ihre Schulter und gab ihr noch ein Busserl. Das beengte die Köchin doch zu sehr; sie nahm vorsichtig seinen Arm herunter, behielt aber seine Riesenhand in der ihren, die übrigens auch ganz schön groß war. Und so saßen die beiden, Händchen haltend, im schattigen Garten des Wirtshauses Zum Feldkeller.
    Und weil es dem österreichischen Gemüt eigen ist, dass man gerade, wenn es am schönsten ist, gern an etwas nicht so Schönes denkt, begann die Litzelsbergerin, nun über den armen Gotthelf zu philosophieren. Dass der jetzt, wo sie beide so schön im Grünen bei einem Glaserl Wein saßen, sich unschuldig in einer Zelle im Landesgericht befand.
    Der arme Gotthelf? Nechyba glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Der und unschuldig? Da musste er dringend einige Dinge klarstellen. Er räusperte sich und erklärte ihr mit sanfter Stimme: »Schau, mach dir wegen des Gotthelfs kein Kopfzerbrechen. Das ist ein richtiger Hallodri 79 . Der hat sein Leben lang viele kleine Dummheiten gemacht, bis er jetzt plötzlich zwei große, gravierende Dummheiten auf einmal begangen hat. Aus Eifersucht zuerst und dann aus Angst, dass ihn deine Mizzi verraten könnte … Weißt, ich hab sie ja kaum gekannt, die Mizzi. Aber wie ich das Mädel am Tatort vorm Stani seiner Wohnung tot liegen gesehen habe, hat es mir das Herz zusammengekrampft. So ein junges Ding und schon so tot. Die hat doch noch nix von ihrem Leben g’habt. Unglücklicherweise läuft das Mädel dem Gotthelf übern Weg, und der erwürgt sie … einfach so. Sei mir nicht bös, aber dafür gebührt dem Pücher 80 der Tod durch den Strang.«
    Nechyba schüttelte traurig den Kopf und nahm einen großen Schluck vom G’spritzten. Die Litzelsbergerin erwiderte: »Also ich kann mir das nicht vorstellen, dass der Gotthelf ein Mädel oder eine Frau umbringen kann. Dazu ist der nicht imstand. Der ist doch ein ganz ein weicher Kerl. Der tut eine Frau anhimmeln, der weint ihr von mir aus etwas vor oder küsst ihr die Füße. Aber umbringen kann der keine. Und die Mizzi, die ihn so verehrt hat, schon gar nicht. Außerdem, weißt du, was mir die Landerl erzählt hat? Dass er eine Affäre mit einer Kundin von ihr gehabt hat und dass er über zwei Wochen bei der in der Wohnung war. Ununterbrochen! Amour fou hat sie es genannt. Die Frau, mit der er zusammen war, ist eine Soubrette vom Theater an der Wien. Angefangen hat die Geschichte übrigens an dem Tag, an dem die Mizzi umgebracht worden ist. Da hat die Landerl nach Mittag die beiden gemeinsam ins Café Sperl reingehen gesehen … Und weil die Landerl ein neugieriger Mensch ist, hat sie später mehrmals nachgeschaut, und da sind die beiden immer noch im Sperl gesessen. Der Stani war also zum Zeitpunkt von Mizzis Ermordung im Sperl. Ist das nicht merkwürdig? Das passt doch alles nicht zusammen. Also meiner Meinung nach kann der unmöglich die Mizzi am Gewissen haben …«
    Platsch! Damit hatte sie Joseph Maria Nechyba von seiner Wolke im siebenten Himmel heruntergeholt. Wie ein begossener Pudel saß er da und wusste keine Antwort. Es beschlich ihn das ungute Gefühl, dass bisher überhaupt wenige Fakten in beiden Mordfällen ermittelt wurden. Irgendwie hatte er die ganze Sache in den letzten Wochen schleifen lassen. Nun wurde es höchste Zeit, aufzuwachen und intensiv über die beiden Mordfälle nachzudenken und

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