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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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eine liebevolle Pflegemutter«, antwortete Morgaine zögernd.
    »Weshalb auch nicht? Sie ist doch deine Tante! Deine Mutter war, wenn ich mich recht besinne, mit Cornwall verheiratet und ist jetzt die Gemahlin des Pendragon… so ist es doch?!«
    Morgaine nickte. All das lag so weit zurück, daß sie sich nur schwach an Igraine erinnerte. Inzwischen erschien es ihr manchmal, daß sie schon lange keine Mutter mehr hatte. Sie hatte gelernt, ohne das Bedürfnis nach einer anderen Mutter außer der Göttin zu leben. Und in vielen der Priesterinnen sah sie ihre Schwestern. Sie brauchte keine irdische Mutter. »Ich habe sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Ich sah Uthers Königin nur einmal aus der Ferne… sie ist sehr schön, aber sie wirkt kalt und unnahbar.« Lancelot lachte verlegen.
    »Am Hof meines Vaters bin ich an Frauen gewöhnt, die nur Augen für hübsche Gewänder, für Schmuck und ihre kleinen Kinder haben, und wenn sie nicht verheiratet sind, für Männer, mit denen sie vermählt sein möchten… Ich weiß wenig über Frauen. Du bist auch nicht wie sie. Du scheinst mir anders zu sein als jede Frau, die ich kenne.«
    Morgaine spürte, daß sie rot wurde. Leise, um ihn daran zu erinnern, erwiderte sie: »Ich bin wie deine Mutter eine Priesterin…«
    »Oh«, sagte Lancelot, »aber du unterscheidest dich von ihr wie die Nacht vom Tag. Sie ist groß, sie ist schrecklich, und sie ist schön. Man kann sie nur lieben, anbeten und fürchten! Aber ich spüre, du bist aus Fleisch und Blut, und trotz all der Mysterien, die dich umgeben, noch immer wirklich. Du bist gekleidet wie eine Priesterin, und du siehst aus wie eine von ihnen. Aber wenn ich dir in die Augenblicke, sehe ich eine richtige Frau, die ich berühren könnte.« Er sprach leidenschaftlich und lachte. Morgaine griff nach seinen Händen und erwiderte sein Lachen.
    »O ja, ich bin wirklich… so wirklich wie der Boden unter deinen Füßen oder die Vögel auf diesem Baum…«
    Sie gingen zusammen hinunter zum Wasser. Morgaine führte ihn einen schmalen Pfad entlang, wobei sie mit Bedacht den Prozessionsweg vermied.
    »Ist es ein heiliger Ort?« fragte er. »Ist es nur Priesterinnen und Druiden erlaubt, den Berg zu ersteigen?«
    »Es ist nur an hohen Festtagen verboten«, antwortete sie. »Natürlich kannst du mit mir hinaufgehen. Ich darf überall hin. Auf dem Berg ist jetzt niemand außer den weidenden Schafen. Möchtest du gerne hinauf?«
    »Ja«, sagte er. »Ich erinnere mich, einmal als Kind dort oben gewesen zu sein, und dachte, es sei verboten und fürchtete, bestraft zu werden, wenn man mich entdeckte. Ich erinnere mich noch an den Blick aus der Höhe und frage mich, ob alles so gewaltig ist, wie es mir damals erschien.«
    »Wenn du möchtest, können wir auf dem Prozessionsweg nach oben gehen. Er ist nicht so steil, denn er windet sich um den Berg, aber er ist länger.«
    »Nein«, antwortete Lancelot, »ich würde gern auf dem kürzesten Weg zum Gipfel klettern… aber«, er zögerte, »… vielleicht ist das Steigen für eine Frau zu beschwerlich und zu schwierig. Auf der Jagd bin ich oft in schwierigerem Fels geklettert; doch dich stört sicher dein langer Rock.«
    Morgaine lachte und erklärte beruhigend, sie sei schon oft auf den Berg geklettert. »Und den langen Rock bin ich gewohnt. Wenn er mich stört, nehme ich ihn einfach hoch.«
    Sein versonnenes Lächeln war unwiderstehlich. »Die meisten Frauen, die ich kenne, wären zu sittsam, um ihre nackten Beine zu zeigen.«
    Morgaine wurde rot. »Es ist mir neu, daß Sittsamkeit etwas mit nackten Beinen beim Klettern zu tun haben soll… die Männer wissen doch sicher, daß Frauen ebenfalls Beine haben. Es kann der Sittsamkeit wenig schaden, wenn sie sehen, was sie sich ohnedies leicht vorstellen können. Ich weiß, manche Christenpriester behaupten es. Sie scheinen unseren Körper für Teufelswerk zu halten, nicht für eine Schöpfung Gottes. Und sie denken, kein Mann könne den Körper einer Frau sehen, ohne ihn sofort besitzen zu wollen.«
    Er blickte beiseite; sie erkannte, daß er unter seiner äußeren Sicherheit noch schüchtern war, und das gefiel ihr. Sie machten sich auf den Weg. Morgaine war vom vielen Laufen und Wandern kräftig und ausdauernd. Sie ging mit schnellen Schritten vor ihm her, und er glaubte bald erstaunt, nicht mithalten zu können. In halber Höhe hielt Morgaine an. Es befriedigte sie zutiefst, Lancelot heftig Luft holen zu hören, während ihr Atem ruhig und

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