Die Nebel von Avalon
sammeln. Ich zweifle nicht daran, daß sie noch vor der Sonnenwende angreifen wollen. Ich wünschte, ich hätte Zeit und genügend Gold, um eine Legion dieser Reiter auszubilden.«
»Du liebst Pferde!« stellte Viviane überrascht fest. »Erstaunt Euch das, Herrin? Bei Tieren weiß man immer genau, was sie denken. Sie können weder lügen noch vorgeben, etwas anderes zu sein, als sie wirklich sind«, erwiderte er.
»Das Wirken der Natur wird sich dir offenbaren«, sagte Viviane, »wenn du nach Avalon zurückkehrst, um das Leben eines Druiden zu führen.«
Er erwiderte: »Noch immer Euer altes Lied, Herrin? Ich dachte, ich hätte Euch meine Antwort gegeben, als wir uns das letzte Mal sahen.«
»Galahad«, erwiderte sie, »damals warst du zwölf Jahre alt und zu jung, um zu wissen, wo das bessere Leben liegt.«
Mit einer ungeduldigen Handbewegung erklärte er: »Niemand außer Euch und dem Druiden, der mir den Namen gegeben hat, nennt mich mehr Galahad. In der Bretagne und im Feld kennt man mich nur als Lancelot.«
Sie lächelte. »Glaubst du, ich kümmere mich darum, was die Soldaten sagen?«
»Euch wäre es also lieber, ich säße still in Avalon und würde die Harfe spielen, während draußen in der wirklichen Welt der Kampf auf Leben und Tod entbrennt, Herrin?«
Viviane wirkte zornig: »Willst du damit sagen, diese Welt hier sei nicht wirklich, mein Sohn?«
»Sie ist wirklich«, erwiderte Lancelot mit ungeduldiger Hand, »aber sie ist wirklich auf eine andere Weise. Sie ist abgeschnitten von dem Kämpfen da draußen. Feenland… ewiger Friede… o ja, es ist meine Heimat, dafür habt Ihr gesorgt, Herrin. Aber mir kommt es vor, als scheine selbst die Sonne hier anders. Es ist nicht der Ort, wo das wirkliche Leben kämpfend geführt wird. Selbst der Merlin ist klug genug, das zu wissen.«
»Die Jahre, in denen der Merlin lernte, das Wirkliche vom Unwirklichen zu unterscheiden, haben ihn zu dem gemacht, was er ist«, sagte Viviane, »und auch dir bleibt das nicht erspart. Es gibt genug Krieger auf der Welt, mein Sohn. Deine Aufgabe ist es, weiter zu sehen, als einer von ihnen. Vielleicht sollst du sogar ihr Kommen und Gehen lenken.«
Lancelot schüttelte den Kopf: »Nein, Herrin, redet nicht mehr davon. Das ist nicht mein Weg!«
»Du bist immer noch nicht erwachsen genug, um zu wissen, was du willst«, entgegnete Viviane trocken. »Willst du uns sieben Jahre deines Lebens schenken, wie deinem Vater, um herauszufinden, ob dies dein Weg ist?«
»In sieben Jahren«, antwortete Lancelot lächelnd, »hoffe ich zu erleben, daß die Sachsen von unseren Küsten vertrieben sind. Und ich hoffe, das Meinige dazu beizutragen. Ich habe keine Zeit für die Magie und die Mysterien der Druiden, Herrin. Selbst wenn ich sie hätte, würde ich es nicht tun. Nein, meine Mutter, ich bitte Euch, entlaßt mich mit Eurem Segen aus Avalon. Und um die Wahrheit zu sagen, Herrin, ich werde Euch auch ohne Eure Zustimmung verlassen. Zu lange habe ich in einer Welt gelebt, wo Männer nicht zu warten haben, bis ihnen eine Frau befiehlt, zu kommen und zu gehen.«
Morgaine erschrak, als sie sah, wie Viviane vor Zorn leichenblaß wurde. Die Priesterin erhob sich – eine zierliche Frau, der der heilige Zorn jedoch Größe und Majestät verlieh.
»Ihr widersetzt Euch der Herrin von Avalon, Galahad vom See?«
Morgaine sah, wie er unter der dunklen Haut blaß wurde. Sie wußte, daß sich hinter seiner Sanftheit und Anmut eine stählerne Kraft verbarg, die sich mit der der Herrin messen konnte. Lancelot erwiderte ruhig: »Hättet Ihr mich darum gebeten, als ich mich noch nach Eurer Liebe und Zuneigung verzehrte, ich hätte ohne Zweifel alles getan, um Euren Willen zu erfüllen… Aber ich bin kein Kind mehr, meine Herrin und Mutter. Je eher wir uns damit abfinden, desto eher werden wir Frieden schließen und aufhören, uns zu streiten. Das Leben eines Druiden taugt nicht für mich.«
»Bist du etwa ein Christ geworden?« fragte Viviane glühend vor Zorn.
Er schüttelte seufzend den Kopf. »Nicht wirklich. Selbst dieser Trost ist mir versagt, obwohl ich an Bans Hof als Christ durchgehen würde, wenn ich es wollte. Ich denke, ich glaube an keinen anderen Gott als an diesen«, dabei legte er die Hand an sein Schwert.
Die Herrin vom See sank auf ihre Bank zurück und seufzte. Sie holte tief Luft und lächelte dann.
»So«, sagte sie, »du bist also ein Mann und läßt dich zu nichts zwingen! Trotzdem möchte ich, daß du mit dem Merlin
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