Die Nebel von Avalon
Gegner zu Fuß weit überlegen.« Er lächelte, und sein dunkles, lebhaftes Gesicht hellte sich auf. »Die Sachsen nennen mich Alfgar – den Elfenpfeil, der aus der Dunkelheit kommt und unsichtbar trifft. An Bans Hof hat man den Namen übernommen und nennt mich dort Lancelot, was dem am nächsten kommt. Eines Tages werde ich eine Legion von Reitern damit ausrüsten. Dann sollen die Sachsen sich hüten!«
»Deine Mutter hat mir erzählt, daß du bereits ein Krieger bist«, sagte Morgaine und vergaß, leise zu sprechen. Er lächelte sie wieder an. »Und jetzt erkenne ich deine Stimme wieder, Morgaine, die Fee…
wie kannst du es wagen, als Priesterin zu mir zu kommen? Ich vermute, es ist der Wille der Herrin. Aber so gefällst du mir besser, wenn du nicht so ernst wie die Göttin bist«, sagte er übermütig, als hätten sie sich erst gestern zum letzten Mal gesehen.
Morgaine klammerte sich an die Überreste ihrer Würde und sagte: »Ja, die Herrin erwartet uns, und wir dürfen sie nicht warten lassen!«
»O ja«, spottete er, »wir müssen uns immer sputen, ihren Willen zu erfüllen… ich nehme an, du gehörst zu den Frauen, die eilfertig kommen und gehen, Dinge bringen und wegtragen und bebend an ihren Lippen hängen.«
Darauf wußte Morgaine nichts zu sagen, außer: »Komm, folge mir!«
»Ich kenne den Weg«, sagte Galahad und ging wie selbstverständlich neben ihr her, anstatt ihr respektvoll in angemessener Entfernung zu folgen. »Auch ich bin früher zu ihr gelaufen, habe sie bedient und gezittert, wenn sie die Stirn runzelte, bis ich herausfand, daß sie nicht nur meine Mutter war, sondern sich für größer hielt als jede Königin.«
»Das ist sie auch«, erwiderte Morgaine scharf. »Zweifellos! Aber ich habe in einer Welt gelebt, in der die Männer nicht nach dem Willen einer Frau kommen und gehen.« Sie sah, wie er die Zähne zusammenbiß, und daß der Übermut aus seinen Augen gewichen war.
»Ich wollte, ich hätte eine liebevolle Mutter und keine strenge Göttin, die mit jedem Atemzug das Leben und Sterben von Menschen nach ihrem Willen bestimmt.«
Auch diesmal fand Morgaine keine Antwort. Sie ging schneller, und er mußte sich beeilen, um nicht zurückzubleiben. Raven ließ sie schweigend mit einer leichten Neigung des Kopfs ins Haus treten – sie hatte inzwischen ein lebenslanges Schweigegelübde abgelegt und sprach nur als Prophetin. Nachdem Morgaines Augen sich an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, sah sie Viviane am Feuer sitzen. Sie hatte beschlossen, ihren Sohn nicht in dem gewöhnlichen dunklen Kleid und dem Hirschlederüberwurf der Priesterin zu begrüßen. Sie trug ein leuchtend rotes Gewand, hatte die Haare aufgesteckt, und auf der Stirne glitzerten Edelsteine. Selbst Morgaine, die sich auf die Kunst des Blendens verstand, stockte der Atem angesichts Vivianes Majestät, die wie die Göttin wirkte, die einen Bittsteller in ihrem unterirdischen Schrein empfängt. Morgaine bemerkte, wie Galahad entschlossen das Kinn vorschob und die Knöchel seiner Finger sich weiß von den dunklen Fäusten abhoben. Sie hörte ihn tief einatmen und ahnte, welche Anstrengung es ihn kostete, seine Stimme ruhig zu halten, als er sich aus seiner Verbeugung aufrichtete. »Meine Herrin und Mutter, seid gegrüßt.«
»Galahad«, sagte sie, »komm, setze dich neben mich.« Aber er setzte sich ihr gegenüber. Morgaine stand an der Tür, und Viviane forderte sie durch ein Zeichen auf, sich ebenfalls zu setzen. »Ich habe mit dem Frühstück noch auf euch gewartet. Laßt uns etwas essen.«
Es gab gekochten Fisch aus dem See mit Kräutern und zerlassener Butter, dazu warmes Gerstenbrot und frische Früchte – Dinge, die Morgaine im harten Leben einer Priesterin selten zu essen bekam. Sie und Viviane nahmen sich nur wenig, aber Galahad aß mit dem gesunden Hunger eines jungen Mannes. »Ihr habt ein Mahl wie für einen König bereiten lassen, Mutter.«
»Wie geht es deinem Vater, und wie steht es in der Bretagne?«
»Gut, doch ich habe mich im letzten Jahr dort nicht lange aufgehalten. Im Auftrag meines Vaters habe ich eine lange Reise unternommen, um für seinen Hof die neue Reiterei der Skythen zu studieren. Ich glaube, selbst unter den Soldaten von Rom gibt es keine solchen Reiter. Wir haben viele Pferde aus dem spanischen Land… aber Euch vermögen die Einzelheiten der Pferdezucht vermutlich nicht zu fesseln. Ich bin gekommen, um den Hof des Pendragon davon zu unterrichten, daß die sächsischen Heere sich
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