Die Nebel von Avalon
hierhin und dorthin, warf den Kopf hin und her und jagte im Kreis herum… grün und braun unter ihren Augen, ein sinnloses Schiffchen tanzte unbeachtet zwischen fleißigen Fingern… rasend durch die unbekannten Gerüche von Blut, Eisen, Menschen… der Feind auf zwei Beinen… Eisen und Blut und Tod… griff sie an. Sie hörte Schreie, spürte den heißen, schneidenden Stoß des Eisens. Rot schob sich vor ihre Augen und verdrängte das Braun und Grün des Waldes. Die Hauer stießen zu, heißes Blut schoß hervor, aber ihr Leben entwich in quälender Pein. Sie stürzte und wußte nichts mehr… und das Schiffchen bewegte sich bleiern weiter, webte braun und grün und braun. Sie webte den Todeskampf in ihrem Bauch; das Rot brach durch ihre Augen und ihr zuckendes Herz. Die Schreie hallten noch in ihren Ohren in dem stillen Raum, in dem außer dem Rascheln von Schiffchen und Kette und Spindel und Rocken nichts zu hören war… Schweigend schwankte Morgaine in Trance hin und her, völlig erschöpft… Sie fiel vorwärts auf den Webstuhl und blieb regungslos liegen. Nach einer Weile hörte sie Malines Stimme. Aber sie bewegte sich nicht und gab keine Antwort.
»Oh, Gwyneth, Morg… Mutter, seid Ihr krank? Um Himmels willen. Sie
will
weben, und jedesmal kommen dann diese Anfälle über sie. Uwain, Accolon! Kommt! Mutter ist auf den Webstuhl gefallen…«
Morgaine spürte, wie Maline ihr aufgeregt die Hände rieb, sie beim Namen rief. Sie hörte Accolons Stimme, spürte, wie er sie aufhob und davontrug. Sie wollte und konnte sich nicht bewegen und nicht sprechen… Accolon legte sie auf ihr Bett. Man brachte Wein, um sie wiederzubeleben, und sie spürte, wie ihr der Rebensaft die Kehle hinunterrann. Sie wollte sagen: »Mir geht es gut. Laßt mich in Ruhe!«, aber sie hörte, wie sie nur ein ängstliches, leises Grunzen ausstieß, und schwieg. Der Todeskampf wühlte in ihrem Körper. Sie wußte, im Tod würde die Große Sau sie loslassen, aber zuerst mußte sie diese Qualen erdulden… Selbst während sie blind, in Trance den Tod erwartete, hörte sie das Jagdhorn und wußte, man brachte Avalloch nach Hause. Er lag tot auf dem Pferd, von der Bache grausam geritzt.
Er hatte den Keiler getötet, und wenige Augenblicke später griff sie an… aber auch der Bache den Todesstoß versetzt… Tod und Blut und Wiedergeburt, und der Fluß des Lebens in den Wald und wieder aus ihm heraus, wie das Schiffchen, das zwischen den Fäden dahinschoß… Stunden später… Morgaine konnte noch immer keinen Muskel bewegen, ohne den entsetzlichen, grausamen Schmerz zu empfinden.
Beinahe begrüßte sie ihn.
Ich sollte nicht unbeschadet aus diesem Tod hervorgehen. Aber Accolons Hände sind rein
…
Sie blickte in seine Augen. Er beugte sich besorgt und ängstlich über sie; beide waren einen Augenblick allein.
»Kannst du jetzt sprechen, meine Liebe?« flüsterte er. »Was ist geschehen?«
Morgaine schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht antworten. Aber seine zärtlichen Hände taten ihr wohl.
Weißt du, was ich für dich getan habe, mein Liebster?
Accolon beugte sich über Morgaine und küßte sie. Er würde nie erfahren, wie nahe sie daran gewesen waren, entdeckt und entehrt zu werden.
»Ich muß wieder zu meinem Vater«, sagte er sanft und betrübt. »Uriens weint und behauptet, wenn ich meinen Bruder auf die Jagd begleitet hätte, wäre er noch am Leben… Er wird mir Vorwürfe machen, solange er lebt.« Seine dunklen Augen ruhten beunruhigt auf ihr. »Du hast mir befohlen, nicht zu gehen«, sagte er. »Wußtest du es durch das Gesicht, Geliebte?«
Trotz der Schmerzen in ihrer Kehle rang Morgaine nach Worten: »Es war der Wille der Göttin«, erwiderte sie. »Avalloch durfte nicht zerstören, was wir hier getan haben.« Unter großen Schmerzen gelang es ihr, mit dem Finger die Umrisse der blauen Schlange auf seinem Handgelenk nachzufahren.
Accolon sah sie plötzlich angsterfüllt an: »Morgaine! Hast du etwas damit zu tun?«
Oh, ich hätte wissen müssen, wie er mich ansieht, wenn er es erfährt…
»Wie kannst du so fragen?« flüsterte sie. »Ich habe unter den Augen von Maline, den Kindern und der Dienerschaft den ganzen Tag in der Halle gewebt… Es war
Ihr
Wille und
Ihr
Tun.«
»Aber du wußtest es. Du wußtest es?«
Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie nickte. Accolon beugte sich über Morgaine und küßte sie auf die Lippen.
»So sei es. Es war der Wille der Göttin«, sagte er und verließ sie.
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