Die Nebel von Avalon
kämpfen.«
Der Merlin erklärte mit seiner vollen, tiefen Stimme: »Meine liebe Morgaine, das Kreuz ist ein altes Symbol. Es wurde schon lange vor der Zeit Christi und seiner Anhänger verehrt. In Avalon leben noch Priester, die der Patriach Joseph von Arimathia dorthin brachte. Sie verehren Gott Seite an Seite mit den Druiden…«
»Aber diese Priester behaupten nicht, ihr Gott sei der einzige Gott«, entgegnete Morgaine zornig. »Ich bin sicher, Bischof Patricius würde sie zum Schweigen bringen, wenn er könnte, und dafür sorgen, daß sie nur seine rücksichtslose Religion verbreiten!«
»Bischof Patricius und seine Überzeugungen stehen hier nicht zur Debatte, Morgaine«, sagte Kevin. »Sollen die Uneingeweihten glauben, die Sachsen hätten ihren Eid auf das Kreuz geschworen, dem Kreuz Christi, der sich geopfert hat und gestorben ist. Auch wir haben einen geopferten Gott, ganz gleich, ob wir ihn am Kreuz sehen oder in der Korngarbe, die für die Erde sterben muß, und wieder von den Toten aufersteht…«
Gwenhwyfar sagte: »Eure geopferten Götter, Ehrwürdiger Merlin, wurden nur auf die Welt geschickt, damit die Menschen bereit für Christus waren, der kam, um für ihre Sünden zu sterben…«
Artus erklärte mit einer ungeduldigen Handbewegung: »Seid alle still! Die Sachsen haben ihren Friedensschwur auf ein Zeichen geleistet, das für sie von großer Bedeutung ist…«
Aber Morgaine unterbrach ihn: »Du hast das Heilige Schwert von Avalon erhalten. Du hast Avalon geschworen, die Heiligen Mysterien zu wahren und zu schützen! Jetzt machst du das Schwert der Mysterien zum Kreuz des Todes und zum Galgen für die Verführten! Als Viviane an den Hof kam, geschah es in der Absicht, von dir die Erfüllung dieses Schwurs zu fordern. Sie wurde erschlagen! Ich bin gekommen, ihr Werk zu vollenden. Ich verlange von dir das Heilige Schwert Excalibur. Ich fordere es zurück! Du hast dir angemaßt, es zum Dienst an deinem Christus zu mißbrauchen!«
Gwenhwyfar warf ein: »Der Tag wird kommen, an dem alle falschen Götter verschwinden, und alle heidnischen Symbole in den Dienst des einen wahren Gottes und in den Dienst Christi gestellt werden!«
»Mit dir habe ich nicht gesprochen, Betschwester!« fuhr Morgaine sie wütend an. »Und dieses geschehe nur über meine Leiche! Ihr Christen habt Heilige und Märtyrer… glaubt ihr, Avalon hat keine?« Noch während sie sprach, durchlief Morgaine ein Zittern, denn sie wußte, das Gesicht hatte durch sie gesprochen. Sie sah den Leichnam eines Ritters auf einem schwarz verhängten Katafalk, darüber lag ein Banner mit dem Kreuz… Sie wollte sich in Accolons Arme werfen, aber sie konnte es hier natürlich nicht.
»Du übertreibst, Morgaine!« sagte Artus mit einem gezwungenen Lachen, und dieses Lachen trieb seine Schwester zur Weißglut, die ihre Angst und das Gesicht vergaß. Sie richtete sich auf und wußte, daß sie zum ersten Mal seit vielen Jahren mit aller Macht und Würde einer Priesterin von Avalon sprach.
»Höre mich, Artus von Britannien! Die Stärke und die Macht von Avalon haben dich auf den Thron gesetzt. Die Stärke und die Macht von Avalon können dich auch stürzen und in den Staub werfen! Wage nicht, die Heiligen Isignien zu entweihen! Wage nicht, sie in den Dienst deines christlichen Gottes zu stellen, denn jedes Werkzeug der Macht birgt auch einen Fluch…«
»Genug!« Artus hatte sich mit blitzenden Augen erhoben, und seine Stimme klang wie Donnergrollen. »Schwester oder nicht, maße dir nicht an, dem König von Britannien Befehle zu erteilen.«
»Ich spreche hier nicht zu meinem Bruder«, schleuderte sie ihm entgegen, »sondern zum König! Avalon hat dich auf den Thron gesetzt, Artus. Avalon gab dir das Schwert, das du mißbraucht hast. Im Namen von Avalon fordere ich es zurück, damit es wieder seinen Platz unter den Heiligen Insignien findet! Wenn es für dich nur ein geformtes Eisen ist, dann kannst du deine Schmiede beauftragen, dir ein anderes zu schmieden!«
Plötzlich herrschte ein beängstigendes Schweigen. Morgaine glaubte, ihre Worte hallten in den großen leeren Räumen zwischen den Welten wider. Fern in Avalon erwachten die Druiden, selbst Raven erhob sich und klagte über Artus' Verrat. Doch da hörte sie ein albernes, nervöses Lachen.
»Ha, was redest du für einen Unsinn, Morgaine!« Es war Gwenhwyfar. »Du weißt, Artus kann das nicht tun!«
»Mische dich nicht ein, Gwenhwyfar«, drohte Morgaine mit unheilverkündender Stimme.
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